0322 - Das Fratzengesicht
Danai.
»Willkommen bei mir, Bruder Mandra. Wer dem Bösen den Kampf angesagt hat, scheut keine Mühe, sein Ziel zu erreichen. Du hast die Mühen auch nicht gescheut. So hoffe ich, daß dir die Kraft des allmächtigen Geistes beschieden sein wird.«
Es war eine blumenreiche Anrede des ansonsten so schweigsamen Mönchs. Man mußte schon ein guter Freund sein, wenn man so angeredet wurde. Aus dem Dunkel der Höhle trat Danai auf den Inder zu.
Das Alter des Mannes war schwer zu schätzen. Der Mönch konnte 60, aber auch 90 Jahre alt sein. Sein Kopf war kahl geschoren. Kein Härchen wuchs auf der Platte, und sein Gesicht glich schon mehr einem Totenschädel. Ein äußeres Zeichen seiner Askese. Auch der Körper war mager. An der rechten Schulter, die das schräg um seinen Körper geschlungene gelbe Gewand freiließ, stand der Knochen stark ausgeprägt hervor. Unter der Haut seiner nackten Arme waren die Adern zu sehen. Sie drückten von innen gegen die Haut und schimmerten bläulich.
»Ich habe dir dein Geschenk mitgebracht«, erklärte Mandra nach der Begrüßung. Er drehte sich und ließ den Kanister von der Schulter gleiten. Der Inder war froh, das Gewicht loszuwerden. Der Kanister hatte ihn bei seiner Wanderung stark behindert.
»Ich danke dir, mein Freund, Das Wasser ist der Quell unseres Seins. Möge er nie versiegen.«
»Auch für dich nicht, Danai.«
Da lächelte der alte Mönch und Fakir, dessen Gesicht nur mehr aus Hautstücken zusammengesetzt zu sein schien. »Ich weiß, mein Freund, daß du zahlreiche Freunde unter uns Mönchen hast. Ich bin einer von vielen…«
»Nein, das ist…«
»Doch, Mandra Korab, doch. Ich habe versucht, die Dimensionen des Bösen zu durchdringen, und bin an eine gefährliche Grenze gestoßen. Wer dort ankommt, muß sich entscheiden. Entweder stellt er sich auf die Seite des Guten, oder er gehorcht dem anderen, dessen Weg in die ewige Verdammnis führt.«
»Du hast dich entschieden, Danai?« fragte Mandra leise.
»Ja, mein Freund, ich habe mich entschieden, und ich will es dir erklären. Wir müssen uns beeilen, ich habe nicht mehr viel Zeit, denn Böses ist geweckt worden.«
Mandra hatte eine Frage auf den Lippen. Er verschluckte sie.
Wenn Danai nicht reden wollte, half auch alles Fragen nichts. Er mußte selbst entscheiden.
Sie begaben sich in den Teil der Höhle, die sehr tief in den Fels hineingebaut worden war. Es wurde kühler. Auch dunkler, so daß Mandra sich genötigt sah, sein Feuerzeug anzuknipsen. Die Flamme zeichnete ein Spiel aus Licht und Schatten. Bizarr fiel es über die Innenwände, die von dem Mönch mit Gebeten und heiligen Worten beschriftet worden waren. So konnte Mandra das Gefühl bekommen, als würden die einzelnen Buchstaben zu einem Eigenleben erwachen.
Er wußte, daß Danai diese Schriften und Buchstaben als Schutz gegen böse Geister geschrieben hatte! Bisher hatte es geholfen, doch seine letzten Worte hatten sehr deprimiert geklungen. Wenn er so sprach, war die Gefahr sicherlich gewaltig.
Licht brauchte der Mönch nicht. Wenigstens kein künstliches, denn im Hintergrund der Höhle existierte ein Luftschacht, durch den auch die Helligkeit in den halbrunden Felsenraum fließen konnte. Dennoch hielt er für Besucher stets einige Kerzen parat, und Mandra zündete eine Kerze an, da es bereits dämmrig wurde. Die Sonne verschwand hinter den hohen Berggraten. Letzte glutrote Strahlen fielen noch auf die Felsen und ließen sie wie im Feuer erglühen.
Der Mönch nahm Platz. Er ließ sich auf einer Bastmatte nieder. Sie diente ihm gleichzeitig als Schlaflager. In der Nähe stand ein Tonkrug.
Dahinein würde er das Wasser füllen, das Mandra ihm mitgebracht hatte. Der Inder ließ sich im Kreuzsitz auf dem Boden nieder.
Er saß seinem Gesprächspartner genau gegenüber.
Sie schauten sich eine Weile an. Mandra kannte das Ritual, es gehörte immer dazu.
»Es wird dein letzter Besuch bei mir sein«, sagte Danai plötzlich und mit einem so großen Ernst, daß Mandra erschrak.
»Wieso?« fragte er.
»Es ist schlimm geworden. Ich habe versucht, in andere Dimensionen vorzustoßen. Das ist mir auch gelungen, bis diese Grenze kam. Über deine Waffen konnte ich nichts erfahren, doch ich gelangte bei meinem Vorstoß in ein gefährliches Zwischenreich, in dem ein Dämon haust, der aus ferner Zeit stammt und der nun dabei ist, durch seine zahlreichen Diener seine Rückkehr vorzubereiten.«
»Kennst du den Namen?«
»Ja, er ist schrecklich, und er
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