0324 - Die Geliebte des Dämons
gönnen.
In sicherer Entfernung von mir blieb sie stehen. »Nur noch wenige Minuten, dann ist es vorbei. Ich werde zuschauen, wie du in deinem Sessel zusammenfällst und hinüber in eine andere Welt gleitest. All deine Bemühungen haben dir nicht geholfen, auch das nicht.« Sie deutete auf das von mir ausgespuckte Blut.
»Noch lebe ich!«
»Es sind die letzten Minuten.«
Ich schielte auf meine Wade. Es sah aus, als sei die Beule zurückgegangen. Sollte ich wieder Hoffnung bekommen? Hatte meine Aktion doch gewirkt?
Ein paarmal schluckte ich und wollte damit die Angst vertreiben.
Susan sah es. »Es ist schön, dich so hilflos zu sehen, John Sinclair. Wenn ich gehe, wirst du auch tot sein.«
»Wohin willst du denn?« fragte ich. Es war schwer für mich, die einzelnen Worte zu formulieren.
»Kataya.«
»Und dann?«
»Werden wir das Fest feiern. Er hat auf seine Geliebte gewartet, die bereits bei ihm ist.«
»Wo ist Kataya? Wo?«
»Das wissen nur wenige.«
»Du kannst es mir sagen, Susan!« keuchte ich. »Mein Leben wird nicht mehr lange dauern. Wo finde ich Kataya?«
»Nicht weit von hier.«
»Im Vampir-Theater?«
Sie lachte laut. »Nein, das gehörte dem Fratzengesicht. Kataya ist woanders.«
»Aber in Hongkong.«
»Ja und nein.«
»Bitte, sag es mir. Ich mochte es nur wissen, dann… dann kann ich ruhig sterben.« Es fiel mir nicht leicht, so über meinen Tod zu reden, hier aber heiligte der Zweck die Mittel. Während der Worte hatte ich versucht, meine Zehen am linken Fuß zu bewegen. Es klappte.
Innerhalb des Fußes regte sich wieder Leben.
Der Hoffnungsfunke wurde größer…
Susan hatte nichts davon bemerkt. Sie wiegte sich in Sicherheit.
Vielleicht sah ich auch schon wie der Tod aus, und da ich keinerlei Anstalten traf, sie anzugreifen, trat Susan noch einen Schritt näher.
»Ja, es ist seltsam«, philosophierte sie. »Aber das Grauen läßt sich nicht mehr aufhalten. Wer es einmal weckt, der…«
»Wo befindet es sich?«
»In den Höhlen. Es lauert in den Höhlen der Qualen oder des Bösen. Da ist Kataya, da hat es seine Heimat. Sie liegen in den Bergen, unwegsam, man meidet die Plätze…«
»In China?« fragte ich und dachte dabei sofort an das Abenteuer mit den Grabräubern. [1]
»Die Grabräuber.«
»Nein, da nicht. Kaulun heißt die Halbinsel. Sie gehört zu Hongkong und besitzt ein bergiges Hinterland. Dort gibt es noch Plätze, die gemieden werden. Außerdem liegen sie sehr nahe an der Grenze. Da kann Kataya wirken.«
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich hatte es tatsächlich geschafft und Susan Perth überredet. Jetzt kam es darauf an, eine gute schau spielerische Leistung zu zeigen. Ich mußte sie überwältigen, denn freiwillig würde sie mich nicht aus dem Zimmer gehen lassen. Und Kaulun wartete auf mich.
Ich gab ein Stöhnen von mir, das hoffentlich auf meine Gegnerin überzeugend wirkte.
Sie fiel tatsächlich darauf rein. Voller Spott fragte sie: »Geht es dir schlecht?«
»Das Gift«, flüsterte ich. »Das verdammte Gift. Es hat alles in mir umgekrempelt.«
»Das kann ich mir denken. Die Schlangen gehorchen dem Bösen. Sie sind Kataya hörig. Wie ich!« Noch näher kam sie, bückte sich und schob ihren Kopf vor.
Das war genau die richtige Distanz. Eine Waffe hielt ich nicht mehr in den Händen. Mandras Dolch und meine Beretta lagen auf dem Tisch neben dem »Bild«.
Ich gab mich noch matter. Meine Arme rutschten dabei von der Lehne.
Sie blieben zu beiden Seiten des Körpers in Ruhestellung. Hoffentlich merkte Susan nicht, daß ich mich mit den Händen bereits abstützte, um eine gute Startgrundlage zu bekommen.
»Jetzt geht es dem Ende zu«, flüsterte sie. »Eigentlich schade. Ich habe angefangen, dich zu mögen. Nun ist es vorbei. Ich führe seine Befehle aus.«
Sie hatte nicht bemerkt, daß ich mein rechtes Bein ein wenig anwinkelte. Und sie sprach weiter. Redete von Todesqualen, die ich erleiden sollte, bevor mich das große Nichts verschlang.
»Sterben, jetzt wirst du sterben…«
»Von wegen!« Ich konnte mir die Antwort nicht verkneifen, während ich mein rechtes Bein anhob und es hart vorschnellen ließ.
Mein Ziel war ihr Körper.
Volltreffer!
Der Fuß fand sein Ziel. Und die Wucht des Rückstoßes war schneller als die beiden Schlangen. Sie versuchten nach mir zu beißen, da befand sich Susan bereits auf dem Rückzug.
Unfreiwillig, denn mein harter Tritt schleuderte sie so weit nach hinten, so daß sie mit dem Rücken gegen die Tür krachte, dort
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