0327 - Wer die Blutfrau lockt
dann hole ich ihn mir. Aber manchmal braucht man frisches Blut in der Sammlung!«
»Na, du hast aber dunkle Sprüche auf Lager!« stieß Michael Prince verunsichert aus. Einen Moment überlegte er, ob er durch die Tür treten sollte, die Marenia jetzt öffneten. Ein Druck auf den Lichtschalter und Michael blickte in einen geschmackvoll eingerichten Living-Room, der gar nicht zu den düsterdrohenden Worten passen wollte, die Marenia eben gesprochen hatte.
»Tritt ein aus freiem Willen und ohne Zwang!« kam es klar von Marenias Lippen. »Tritt ein in mein Reich und unterwirf dich den Gesetzen meiner Welt. Doch weiche zurück, wenn du das Leben liebst, wie du es kennst!«
»Seit ich dir in die Augen gesehen habe, weiß ich erst, was Leben ist!« stieß Michael Prince hervor und trat über die Schwelle.
»Du wirst ein anderes Leben kennenlernen. Das ewige Leben. Wir werden es zusammen verbringen. Wir beide, Michael!« flüsterte Marenia verführerisch. »Ich werde dafür sorgen, daß du deinen Entschluß niemals bereust. Niemals in diesem Leben - und auch nicht in jenem anderen… !«
»Dann laß uns beginnen!« bat Michael und warf seine Jacke achtlos über einen Garderobenhaken.
»Aber warum denn so eilig?« In Marenias Stimme klang leichter Spott. »Kannst du die Vereinigung mit mir nicht abwarten? Nicht ein wenig Musik? Einen Drink, um die Sinne noch weiter anzuregen? Bedenke, mein Freund, wir haben Zeit. Diese Nacht gehört uns. Dir und mir. Und heute ist Vollmond!«
»Die Nacht der Werwölfe!« sagte Michael Prince und ging hinüber zur Bar, füllte zwei Gläser mit Eis und übersah das Angebot an Flaschen.
»Ja, in diesen Stunden sind sie unterwegs, die Kinder der Nacht!« nickte Marenia. »Durch dichte Tannenwälder und über schroffe Felsenklüfte laufen die grauen Rudel und ihre Stimmen singen dabei zu Ehren der Nacht und des Mondes. Und wer das rechte Ritual zelebriert, dem gelingt es Lykon, den Wolfsgeist zu beschwören und dieser macht ihn zu einem Menschen wolf !«
»Das hört sich ja schaurig an, wie du es sagst!« stieß Prince hervor.
»Ich finde es erregend schön!« hauchte Marenia. »Stell dir vor, wir wären jetzt irgendwo in den Bergen auf einer einsamen Höhe. Du hörst sie nicht, aber du weißt genau, daß sie da sind. Du spürst ihren heißen Atem genau neben dir. Und doch ist das Grau ihres Körpers mit der Nacht verschmolzen. Du spürst, wie ihre bebenden Flanken vibrieren und siehst das Glitzern ihrer Augen aus der Dunkelheit. Denn irgendwann erstrahlt der Mond in seinem vollen Glanz und du erkennst, daß sich bereits das ganze Rudel um uns gelagert hat. Du siehst die Silhouetten ihrer hageren, sehnigen Körper, die sich schattenhaft vom dunklen Schleier der Nacht abheben. Reihen von nadelspitzen, leicht gebogenen Zähnen blitzen, rote Zungen lecken die Lefzen und in den gelben Lichtern siehst du dein eigenes Spiegelbild. Das graue Rudel sitzt um uns herum wie aus Stein gemeißelt. Doch trotz ihrer Ruhe spürst du die Kraft und unbändige Energie in ihrem Körper und erkennst, daß sie beim geringsten Anzeichen der Furcht über uns hinwegrasen, wie die Brandung weißgischtend über den Felsen von Cornwall zusammenschlägt. Dann erhebt der Leitwolf seine Stimme, der klagende Heulton wird von den anderen Tieren aufgenommen und zu einer vielstimmigen Sinfonie der Nacht, die aufsteigt zum Firmament, das jetzt vom milden Schein des Silbermondes regiert wird. Manchmal träume ich davon, eine solche Wolfsnacht zu erleben!«
»Auch Vampire, sagt man, lieben den Vollmond!« erklärte Prince verwirrt und mixte sich mechanisch einen Highball. »Kannst du so poetisch auch über Vampire reden, Marenia?«
»Aber sicher!« hauchte sie. »Warte nur ab. Noch heute nacht wirst du erkennen, welche höchste Lust in diesem Mond liegt. Denn ich bin ein Vampir!«
»Der Scherz war geschmacklos, wenn es einer sein sollte!« protestierte Michael Prince. »Ein Vampir ist doch was anderes als eine moderne, lebenslustige Frau wie du. Vampire leben in Grüften und sind uralt und verschrumpelt. Du aber bist eine Schönheit!«
»Denk an die Schönheit der fleischfressenden Pflanzen!« Marenias Lächeln war spöttisch, während sie sich mit fließender Bewegung auf ein schwarzes Ledersofa ausstreckte und sich wie eine zufriedene Katze räkelte.
»Soll ich jetzt Angst haben?« fragte Prince.
»Es würde dir nichts nützen!«
»Oder soll ich fliehen?«
»Das kannst du nicht mehr!« Marenias Stimme schnurrte in
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