033
ging zu dem kleinen Koffer, in dem ihre Sachen waren. Ungeduldig kramte sie darin, bis sie den von Emily eingepackten Gegenstand gefunden hatte, über dessen Vorhandensein sie, als sie ihn entdeckt hatte, so überrascht gewesen war. Es handelte sich um den zum Habit gehörenden Rosenkranz. Sie starrte ihn an und überlegte, ob ihr ein Gebet jetzt helfen würde. Sie dachte auch daran, ob sie in Betracht ziehen sollte, ins Kloster zu gehen, falls das ein Ausweg war. Kaum war ihr dieser Einfall gekommen, tat sie ihn ab. Ein Leben als Nonne war kein Ausweg. Ein von Religion bestimmtes Leben war etwas Edles, Hingebungsvolles. Sie wusste, dafür war sie nicht geschaffen. Sie musste der Realität ins Auge sehen. Sie kniete sich hin und begann demütig um göttlichen Beistand zu flehen, um die Hilfe und Kraft, die sie in den kommenden Tagen benötigen würde.
Clay hatte keinen Kummer, als er viele Stunden später in die Kabine zurückkehrte. Er hatte mehr als genug vom besten Whisky getrunken, der auf dem Schiff zu haben war. Benommen, wie er war, hoffte er, dass er zumindest in dieser Nacht durchschlafen würde. Er brauchte seinen Schlaf.
Reina hörte ihn an der Türklinke rütteln. Es überraschte sie, dass er solche Mühe hatte, die Tür zu öffnen, und daher schaute sie neugierig auf, als er schließlich den Raum
betrat. Wenn sie mit allem gerechnet hätte, aber nicht damit, dass Clay zu betrunken war, um sich aufrecht halten zu können.
Das widerspenstige Türschloss hatte ihn geärgert. Nie zuvor hatte er Mühe gehabt, es zu öffnen. Deshalb wunderte er sich, warum es nicht sofort aufgesprungen war.
Beim Betreten der Kabine war er noch immer verärgert und machte daher die Tür unnötig laut hinter sich zu.
Das Bild, das sich ihm bot, veranlasste ihn, bei der Tür stehen zu bleiben. Reina saß im Nachthemd auf dem Bett und hatte sittsam die Bettdecke über den Schoß gezogen. Ihr dunkles, üppiges Haar fiel ihr in glänzenden Wellen auf die Schultern.
Clay empfand jähes Verlangen, als sein Blick von ihrem Gesicht zu ihren Brüsten glitt. Das schlichte Nachthemd enthüllte nichts, doch er entsann sich der vollen Brüste nur zu gut. Nur mit größter Willensanstrengung gelang es ihm, den Blick von ihnen loszureißen. Plötzlich kam er sich wie ein in einem Labyrinth gefangenes Tier vor und überlegte betroffen, warum er so früh in die Kabine zurückgekehrt war.
Reina war über seinen Zustand so erschüttert, dass sie unbedacht herausplatzte:
„Sie haben getrunken!"
Stolz hielt er die mitgebrachte Flasche hoch und zeigte Reina, dass der Inhalt zu drei Vierteln verschwunden war.
„Ich versichere Ihnen, aus einem sehr ehrbaren Grund." Sein Grund war der Wunsch nach schmerzlosem, vorübergehendem Gedächtnisverlust gewesen. Er hatte versucht, sich zu betrinken, um die Erinnerungen zu vertreiben. Er wollte nicht daran denken, wie samten Reinas Haut sich anfühlte, wie wundervoll ihr sich unter ihm windender Leib war. Zu seiner Bestürzung hatte er nun festgestellt, dass seine Bemühungen vergebens waren. Der Whiskygenuss hatte nur dazu beigetragen, dass die Erinnerungen noch deutlicher geworden waren. In Gedanken sah er, hervorgerufen von seinem umnebelten Verstand, die Ereignisse sich in lebhafter, von Leidenschaft bestimmter Abfolge wiederholen, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.
Zum ersten Mal seit Tagen geriet Reina in Wut. Sie glaubte, er habe seinen Triumph gefeiert, und das verletzte sie. Der Sieg, auf den er so stolz war, würde für sie die Quelle unaussprechlichen Elends sein. „Ich bin sicher, dass Sie glauben, einen ehrbaren Grund zu haben."
Clay prostete ihr zu und trank einen Schluck Whisky. „Und noch bin ich mit dem Trinken nicht fertig."
Da er es für notwendig hielt, sich von dem Gedanken abzuhalten, mit ihr zu schlafen, zog er einen Sessel ans Fußende des Bettes, setzte sich hinein und lehnte sich zurück. Er kippte ihn nach hinten, so dass der Sessel nur noch auf zwei Beinen stand, legte die Füße aufs Bett und streckte die langen Beine bequem aus. Dann hob er die Flasche wieder an den Mund.
„Sie sind wirklich froh darüber, dass wir fast in Mon-terey sind, nicht wahr?" fragte Reina.
„Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mich das freut", antwortete er. „Möchten Sie etwas trinken?" Er hielt ihr die Flasche hin, doch ablehnend schüttelte sie den Kopf und setzte eine kalte Miene auf.
„Nein. Ich habe nichts zu feiern."
„Nicht viele Leute haben Grund zu
Weitere Kostenlose Bücher