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nur so lange auf, wie er brauchte, um sich die Hände zu waschen. Nachdem er das getan hatte, ging er in den Salon, wo der Besucher ihn erwartete. Er wollte ihn soeben herzlich begrüßen, als sein Blick jedoch nicht auf Mr. Cordeil, sondern auf Mr. Marlow fiel. Sogleich sank ihm das Herz, denn er wusste, er musste den Amerikaner erneut belügen. Im Stillen wüst fluchend, näherte er sich ihm und versuchte, nicht darauf zu achten, dass ihm der kalte Schweiß ausbrach.
„Nathan!" sagte er leutselig und hielt ihm die Hand hin. „Welch angenehme Überraschung!"
Nathan erhob sich und erwiderte die Begrüßung seines zukünftigen Schwiegervaters. „Es ist schön, Sie wieder zu sehen, Luis", sagte er und schüttelte ihm die Hand.
Luis bot ihm etwas-zu trinken an, doch dankend lehnte er ab. Ihm war es lieber, gleich zur Sache zu kommen.
Nachdem man sich gesetzt hatte, erkundigte Luis sich ruhig: „Was hat Sie zu mir geführt?"
„Was meinen Sie?" fragte Nathan leicht lächelnd. „Natürlich bin ich hergekommen, um Ihre Tochter zu sehen."
„Oh! Reina!" Luis' Ton drückte nur Enttäuschung und nicht die schreckliche Angst aus, die er empfand.
„Reina ist doch wieder hier, oder nicht?"
„Es tut mir Leid, aber das ist nicht der Fall."
„Sie sollte doch schon vor zwei Tagen zurück sein", wandte Nathan ein. „Ich habe extra noch einen Tag gewartet, damit sie Zeit hat, sich von der Reise zu erholen."
„Das war sehr rücksichtsvoll von Ihnen. Ich weiß, dass ich Ihnen gesagt habe, sie würde nur einige Wochen fort sein. Gestern traf jedoch eine Nachricht von ihr ein, sie wolle noch länger bei ihrer Tante bleiben."
Nathan verengte die Augen, während er den alten Ka-lifornier betrachtete. „Es gibt doch kein Problem, oder doch?"
„Nein", antwortete Luis rasch. „Nein, es gibt kein Problem. Was sollte nicht in Ordnung sein?" Er spielte den Ahnungslosen und schaute den Jüngeren an, als hätte dessen Frage ihn sehr überrascht.
Nathan betrachtete ihn einen Moment lang und erkundigte sich dann: „Reina wird doch bald zurückkehren, nicht wahr? Ich vermisse sie. Es gibt viele die Hochzeit betreffende Dinge, die ich mit ihr besprechen möchte."
„Machen Sie sich keine Sorgen, Nathan. Sie wird rechtzeitig zurück sein. Sie will jetzt nur noch mehr Zeit bei ihrer Tante verbringen, weil sie, wenn sie verheiratet ist und die Verantwortung für einen Haushalt trägt, nicht mehr imstande sein wird, längere Zeit zu verreisen."
„Ah, ich verstehe", sagte Nathan. „Vielleicht wird diese Zeit des Getrenntseins ihr und mir helfen zu erkennen, wie sehr wir tatsächlich aneinander hängen."
„Oh ja. Ich bin sicher, das wird der Fall sein", erwiderte Luis, kam sich jedoch in die Enge getrieben vor. Unwillkürlich überlegte er, wo die Tochter sein mochte. Und genauso wichtig war, wo Mr. Cordell sich befand.
„Wissen Sie, ich freue mich so auf die Hochzeit. Sie wird das gesellschaftliche Ereignis der Saison sein."
„Dessen bin ich mir sicher", äußerte Luis. „Meine Tochter wird die schönste Braut sein, die man in Monterey je zu Gesicht bekommen hat."
„Daran besteht kein Zweifel", bemerkte Nathan und stand auf, um sich zu verabschieden. „Bitte, grüßen Sie Reina von mir und richten Sie ihr aus, dass ich voller Ungeduld auf ihre Rückkehr warte."
Luis erhob sich und begleitete den Gast zur Tür. „Das werde ich tun. Ich bedauere, dass Sie die Reise hierher umsonst gemacht haben. Sind Sie sicher, dass Sie nicht bleiben und bis morgen mein Gast sein wollen? Die Fahrt zurück in die Stadt ist ziemlich lang."
„Ich weiß die Einladung zu schätzen, Luis, ich habe jedoch in Monterey dringende Geschäfte zu erledigen. Wäre Reina hier gewesen, hätte ich die zeitliche Verzögerung rechtfertigen können. Doch da sie immer noch nicht hier ist, mache ich mich besser wieder an die Arbeit."
„Natürlich habe ich Verständnis. Ich werde meiner Tochter mitteilen, dass Sie hier waren. Sobald ich weiß, an welchem Tag sie heimkehrt, lasse ich Sie das wissen."
„Gut. Bis später."
Erneut schüttelten die Herren sich die Hand und verabschiedeten sich. Luis empfand nur Erleichterung, als er Mr. Marlow die Allee hinunterreiten sah. Er vermochte nicht zu fassen, dass es ihm gelungen war, ihn wenigstens noch eine Woche hinzuhalten. Er atmete tief durch, und sobald Mr. Marlow nicht mehr zu sehen war, kehrte er ins Haus zurück und genehmigte sich ein Glas seines besten, stärksten Whiskys.
Bei der Rückkehr in die
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