0340 - In der Häuserschlucht des Grauens
entwickelt, Fenner«, knurrte Phil. »Steig mal schön langsam aus den Federn.«
Als er dieser Aufforderung gefolgt war, riß ich das Kopfkissen zur Seite. Fenners Überraschung war nicht einmal gespielt gewesen. Die Kanone unter dem Kissen war wirklich nicht vorhanden.
»Was soll der Spaß bedeuten?« meinte Fenner. »Hat einer vielleicht einen Briefmarkenautomaten geknackt und eure Ruhe gestört?«
Wir beobachteten Fenner schweigend, als er sich in einen Morgenmantel wickelte, sich mit beiden Händen durch das verwirrte Haar fuhr und dann nach den Zigaretten griff.
»Mach es dir ruhig bequem, Fenner. Es wird eine ganze Weile dauern, bis wir zur Wahrheit kommen. Wo hast du dich seit gestern herumgetrieben?«
Chet Fenner grinste. Das machte sein Gesicht mit der plattgedrückten Nase, der pockennarbigen Haut und der niederen Stirn keineswegs schöner.
»Ob ihr mir nun glaubt oder nicht, ich versuchte, meine literarischen Kenntnisse zu erweitern.«
Damit deutete er auf ein Buch, das auf dem wackeligen Nachtkästchen neben dem Bett lag.
Eins wußte ich mit Bestimmtheit. Literarische Kenntnisse sind nicht Sache eines Mannes, der mit dem Lesenkönnen bereits die empfindlichsten Schwierigkeiten hatte. Chet Fenner konnte von Glück reden, wenn er überhaupt mit den notwendigsten Meldeformularen ohne fremde Hilfe auskam.
Während ich ihn ein wenig ins Verhör nahm und dabei auf einige Widersprüche stieß, blickte sich Phil in der Wohnung des Verbrechers um. Sehr eindrucksvoll war sie nicht, aber da sich Chet Fenner meist nur vorübergehend auf freiem Fuß befand, schien er es für unnötig zu halten, seine Behausung zu verschönern.
Aber genau wie ich der Wahrheit nur mühsam und stückweise näherkam, hatte auch Phil wenig Erfolg. Er fand nichts, das auf ein Verbrechen hin wies. Es dämmerte schon über den Dächern New Yorks, als wir auf den grauen Chevrolet zu sprechen kamen, und dabei zeigte Chet Fenner einen gewissen Widerwillen, uns zu verraten, wo der Wagen abgestellt war. Trotzdem konnten wir ihn dazu verleiten, uns in das Geheimnis einzuweihen.
Er fischte schließlich die Schlüssel der Garage und des Chevys aus den Taschen seines Anzuges, der sorglos über einen Stuhl geworfen war, und ich beschloß, mir das Auto ein wenig genauer anzusehen, während Phil das traute Zwiegespräch mit Chet Fenner fortsetzte.
In der Garage fand ich nichts, das uns auch nur ein wenig weiterhelfen konnte. Dafür gab es allerdings im Kofferraum des Chevys zwischen dem Werkzeug einen interessanten Fund. Es war ein langer zylindrischer Behälter aus punktiertem Stahlblech, nicht gerade der erste Schalldämpfer, den ich sah. Ich nahm ihn behutsam zwischen die Finger, legte ihn zur Seite und suchte nach dem dazu gehörenden Revolver.
Aber obwohl ich jeden Zentimeter des Chevys und der Garage untersuchte, blieb das Schießeisen verschwunden.
Zehn Minuten später hatte ich wieder die Wohnung Chet Fenners erreicht und überraschte ihn mit meinem Fund.
»Du hast sonderbares Werkzeug in deinem Wagen, Fenner«, knurrte ich. »Wo hast du das Schießeisen, das dazu gehört?«
Chet Fenner war die Unschuld in Person. Seine Blicke mieden geflissentlich den Schalldämpfer in meiner Hand.
»Ich habe das Ding irgendwo aufgelesen, G-man«, erwiderte er gelassen. »Und eine Kanone besitze ich nicht. Schließlich habe ich ja keinen Waffenschein, und wozu sollte ich auch eine Waffe brauchen? Die Leute, die mich kennen, gehen mit mir sehr vorsichtig um.«
Ich nickte ernst.
»Das letztere glaube ich dir gern, Fenner, das erstere allerdings nicht. Leider war Raoul Boulanger keiner von den Leuten, die dich näher kannten. Aber du darfst uns ruhig glauben, daß wir den Revolver finden werden, der zu diesem Schalldämpfer gehört. Und dann wirst du nichts zu lachen haben. Dann kann dir auch Joe Maggio nicht mehr helfen, denn dem wird es ebenfalls an den Kragen gehen.«
Chet Fenner strahlte uns überlegen an.
»Ich wünsche euch dabei viel Vergnügen, Gents«, meinte er. »Es wird aber ziemlich lange dauern, bis ihr mir etwas anhängen könnt. Bis dahin seid ihr längst pensioniert.«
***
»Chet Fenner steckt bis über beide Ohren in dieser Sache, Jerry«, meinte Phil, als wir uns wieder in den Jaguar schwangen. »Aber es zu beweisen, wird nicht so einfach sein.«
Ich nickte.
»Vielleicht können wir ihn dazu bringen, den Revolver aus seinem Versteck zu holen?« meinte ich nachdenklich. »Natürlich müßte die Anregung dazu von Joe Maggio
Weitere Kostenlose Bücher