0347 - Satans Mädchenfänger
darüber nachdachte, paßte diese Art zu Lilith. Schon bei unserem ersten Kontakt mit ihr hatte uns der Weg in diese Szene geführt. Jetzt schien sich einiges zu wiederholen.
»Scheint wieder eine tolle Adresse zu sein«, bemerkte Suko und schüttelte den Kopf. »Wir werden uns auf jeden Fall dort genauer umsehen. Oder bist du anderer Meinung?«
»Nein.« Ich steckte die Karte weg. »Und wer könnte Chester Kwan ermordet haben?« hakte Suko nach. »Sie?« Er deutete dabei auf die Tote. »Ich habe keine Waffe an oder bei ihr entdeckt. Deshalb kann ich dir darauf keine Antwort geben.«
»Allein steht sie nicht. Vielleicht hatte sie magische Helfer und diente Lilith.« Mein Freund schaute mich an. »John, sei ehrlich gegen dich selbst. Wie hast du die Tatsache empfunden, als sich dein Kreuz plötzlich selbständig machte?«
Ich schaute zu Boden und hatte die Hände in den Taschen meiner Hose versenkt. Dabei hob ich die Schultern. »Ich habe kaum darüber nachgedacht. Erst später…«
»Und dann? Aus dem Kreuz wurde ein L. Oder umgekehrt. Man kann natürlich daraus etwas ableiten.«
Ich ahnte, was mein Freund sagen wollte und schnitt ihm mit einer Handbewegung das weitere Wort ab. »Tut mir leid, Suko, keine Theorien. Ich bin froh, daß ich das Kreuz überhaupt zurückhabe.«
Der Inspektor lachte. »Dann nimm es wenigstens an dich und laß es nicht auf dem Dach liegen.«
Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht. Das Kreuz lag eine Armlänge von der Leiche entfernt. Sein silbriges Schimmern wies mir den Weg. Ich hob es auf und wollte es wieder einstecken, als mir etwas auffiel.
Gewichtsmäßig hatte es sich nicht verändert, das hätte ich sofort gespürt.
Dennoch war etwas mit ihm geschehen. Sehr genau ließ ich meinen Blick auf den wertvollen Talisman fallen und hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen.
Das durfte nicht wahr sein, das war einfach unglaublich.
In der Mitte des Kreuzes, wo sich die Zeichen befanden, die ich noch nicht enträtselt hatte, war etwas geschehen. Die unbekannten Insignien, die die beiden ineinandergeschobenen Dreiecke einkreisten, waren, wie auch die geometrischen Figuren, nicht mehr vorhanden.
Dafür sah ich etwas anderes.
Ein großes L präsentierte sich meinem Blick.
Und das L stand für Lilith!
***
Sie hatte mein Kreuz entweiht!
Als ich daran dachte, wurde mir schwindlig. Ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Damit hatte ich nicht gerechnet, nicht einmal geahnt, daß so etwas möglich sein würde.
In meinem Hals breitete sich eine Trockenheit aus, wie ich sie kaum kannte. Ich wollte sprechen, schaffte es nicht. Dafür starrte ich auf das Kreuz und dachte daran, daß alles aus war.
Suko trat neben mich. »Was hast du, John?« Seine Stimme drang wie aus weiter Ferne an meine Ohren, eine Antwort konnte ich ihm leider nicht geben.
Die Kehle war zu.
Meine Gedanken bewegten sich nur um dieses eine Problem. Jemand hatte es geschafft und das Kreuz entweiht. Asmodis und andere mächtige Höllendämonen hatten es immer versucht, keinem jedoch war es gelungen. Das Kreuz war mir treu geblieben, und nun kam eine Figur aus einer vorbiblischen Mythenwelt daher, breitete ihren Einfluß aus und schaffte es mit Hilfe eines ihr dienenden Menschen, die Waffe zu entweihen, vor der sich die Abkömmlinge der Hölle so fürchteten.
Es war einfach unfaßbar – so grauenhaft, so anders, denn für mich brach in diesen Augenblicken eine Welt zusammen. Ich hatte voll und ganz auf das Kreuz vertraut, war von ihm nie im Stich gelassen worden, und nun passierte so etwas.
Mit der Hand wischte ich über mein schweißnasses Gesicht. Ich merkte auch das Zittern in meinen Kniekehlen, das sich fortpflanzte und sich auf den gesamten Körper übertrug.
»He, John!« Suko sprach mich wieder an. Es hätte auch irgendein Fremder sein können, das spielte keine Rolle. Die Stimme war da, ich drehte den Kopf zu ihm, und Suko ging erschreckt einen Schritt zurück, als er in mein Gesicht schaute.
»Was ist denn?« fragte ich.
»John, meine Güte, wie siehst du aus?«
Ich hob die Schultern.
Suko hatte sich wieder gefangen. Er kam auf mich zu. Sein Blick fiel auf meinen ausgestreckten Arm und auf die Hand, deren Fläche nach oben zeigte.
Genau dort hatte das Kreuz seinen Platz gefunden. »Schau es dir an!« flüsterte ich. »Schau es dir genau an, und dann sage mir, was damit los ist.«
Suko hatte eine Antwort auf der Zunge, verschluckte sie aber, senkte den Blick und sah sich
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