0353 - Die Vampirkutsche
Szarasz.
»Ich habe Landrys erkannt, als er mich niederschlug«, log Wenzel Pecik. Er zog den Kragen wieder höher. Niemand brauchte zu sehen, was mit seinem Hals los war.
***
Gryf mußte den Kopf aus dem Kutschenfenster halten, um etwas zu erkennen. Er staunte, als er sah, wie die Kutsche auf eine Phalanx dicht stehender Bäume zuraste und die Tannen sich plötzlich irgendwie zur Seite bewegten, um einen bis dahin nicht vorhandenen Weg freizugeben!
Er erinnerte sich schwach, am Nachmittag gerade an dieser Stelle gewesen zu sein! Aber da hatte alles ganz anders ausgesehen als jetzt.
Er mußte es hinnehmen, daß er, der Druide, der Zauberer, von Magie getäuscht worden war, ohne diese Magie erkennen zu können.
Auch jetzt spürte er sie nicht, als die Kutsche zwischen den Baumreihen hindurch raste und plötzlich ein Schloß auftauchte. Eine von einer Schutzmauer umgebene Ruine… war das das niedergebrannte Schloß Roatec?
Also existierte es doch!
Nur war es von niemandem zu finden, weil es anscheinend nicht gefunden werden sollte. Ein Zauber schützte es, den nicht einmal Gryf durchschaute!
Vor dem Portal in der Mauer hielt die Kutsche an. Erstmals ertönte ein Laut, den Gryf als einen Peitschenknall erkannte. Leder gegen Holz. »Auch eine Art, anzuklopfen«, murmelte er vor sich hin, erschrak über seinen Leichtsinn und warf dem reglosen Mädchen neben sich einen Blick zu. Aber die Dunkelhaarige registrierte ihn immer noch nicht. Sie lag unter einem starken Bann.
Das Tor wurde geöffnet, und die Kutsche rollte in den Schloßhof. Jetzt war das Rasseln und der Hufschlag zu hören. Das, was alle Geräusche dämpfte, schien innerhalb der Mauer nicht mehr zu wirken!
Interessant, dachte Gryf. Noch interessanter aber fand er die Tatsache, daß er plötzlich Elenas Bewußtseinsaura spüren konnte, die er ja in der letzten Nacht bei inniger Umarmung aufgenommen hatte. Und da waren noch andere Bewußtseine in ihrer Nähe. Aber sie mußten sich unter der Erdoberfläche aufhalten.
Auch der Vampir war jetzt zu spüren.
Nur seine Gedanken konnte Gryf auch jetzt nicht lesen. Der Bursche dachte entweder überhaupt nicht, oder er besaß eine natürliche Abschirmung.
Da flog die Tür der Kutsche auf.
Draußen stand der Vampir. Und er sah Gryf im selben Augenblick.
Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze, die die spitzen Zähne noch stärker hervortreten ließ. Baron Roatec mußte erst mit der Tatsache fertig werden, daß da ein »Blinder Passagier« in seiner Kutsche saß.
Er fauchte wie ein Raubtier!
Da schnellte sich Gryf an dem immer noch reglosen Mädchen vorbei aus der Kutsche und warf sich auf den Vampir, um dem die Prügel seines Lebens zu verabreichen.
***
Erfolglos kamen die Männer von der Suche zurück. Verzweifelt sah Wenzel ihnen entgegen, der allein im »Roten Ochsen« zurückgeblieben war. Ihre niedergeschlagenen Gesichter sagten ihm alles.
»Imre hat dir erst nicht einmal glauben wollen«, sagte der Wirt leise. »Er hat tatsächlich erst in Ilkas Zimmer nachgesehen, ob du ihn nicht vielleicht auf den Arm genomen haben könntest. Aber sie war nicht da. Sie ist verschwunden wie Elena.«
»Es war der Vampir, verdammt«, knurrte Vereschy, den die nächtliche Suchaktion einigermaßen ernüchtert hatte. Aber niemand achtete auf seine Worte.
Imre Szarasz war nicht mehr mit in die Schänke gekommen. Er war wieder zu Hause und kümmerte sich um seine Frau, die ob der schrecklichen Botschaft einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. »Aber er hat angedroht, dir den Hals umzudrehen, Wenzel, sobald er dich sieht. Du solltest wirklich vorsichtig sein. Er haßt dich. Er gibt dir die Schuld.«
»Er hat ja recht«, murmelte Wenzel. »Ich habe nicht aufgepaßt. Der Kerl hat mich niedergeschlagen, bevor ich etwas tun konnte. Ich hätte damit rechnen müssen. Ich wußte doch, daß Elena verschwunden ist…«
»Du konntest nicht damit rechnen«, sagte der Wirt. »Geh nach Hause, schlaf dich aus. Morgen werden wir uns um Imre und seinen Zorn kümmern. Aber laufe ihm vorerst besser wirklich nicht über den Weg.«
Wenzel nickte. »Während ihr fort wart, habe ich mir noch ein paar Wodkas genehmigt«, sagte er und deutete auf die Flasche, deren Pegel merklich gesunken war. »Fünf Stück. Hier ist das Geld…«
Die fünf Wodkas waren ihm nicht anzumerken!
Er ging jetzt kerzengerade. Salmak, der Wirt, grinste hinter ihm her. »Das Zeug muß ihn von seinem Taumeln kuriert haben… bei dir, Joszef, ist es immer
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