036 - Im Verlies der Verdammten
strahlend.
Swift grinste. »Gelernt ist eben gelernt.«
Man hob Jock hoch und setzte ihn auf einen Stuhl.
Mervyn Swift trank sein Bier aus und schob das Geld dafür über den Tresen. »Ich muß weiter«, sagte er.
»Das wird die Runde machen, Merv«, sagte Dunsay begeistert.
»Ich bin froh, dabeigewesen zu sein. Es gibt keinen in diesem Lokal, der Jock die Prügel nicht von Herzen gönnen würde. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder, Junge.«
Swift verließ das Lokal, ohne Jock eines Blickes zu würdigen. Er genoß die Bewunderung, die ihm alle entgegenbrachten. Jock, dieser unleidliche Raufbold, der überall aneckte und jeden kurz und klein schlug, hatte endlich seinen Meister gefunden.
Er schritt über den großen Parkplatz, war mit sich rundum zufrieden. Erinnerungen an seine Zeit als Boxer wurden in ihm wach. Er hatte damals alles geschlagen, was sie ihm vor die Fäuste stellten.
Er erreichte seinen Truck. Als er die Tür öffnete, bemerkte er, daß sich jemand hinter ihm befand. Einen Moment dachte er, es wäre Jock, und er drehte sich mit zu Fäusten geballten Händen um, aber er entspannte sich gleich wieder, als er das Mädchen sah, für das er sich eingesetzt hatte.
Sie konnte nicht älter als 18 sein, stand verlegen da und blickte ihn scheu an, während ihre Finger aus Verlegenheit über den Trageriemen ihrer Sporttasche wischten.
»Ich… ich möchte mich bei Ihnen bedanken«, sagte sie leise. Ihm gefiel ihre Stimme. Eigentlich gefiel ihm alles an ihr, das hübsche Gesicht, die dunklen Augen, die schmale Taille …
»Ist schon in Ordnung«, sagte er. »Hat Ihnen Ihre Mutter nicht beigebracht, daß man um solche Lokale als Mädchen besser einen großen Bogen macht?«
»Ich dachte… Ich hoffte, dort drinnen jemanden zu finden, der mich nach London mitnimmt. Eine Mutter habe ich nicht mehr. Nur noch einen Vater, der sich täglich betrinkt, sich selbst bemitleidet und seine Tochter bei jeder Gelegenheit verprügelt. Gestern hat er’s zum letztenmal getan. Jetzt habe ich die Nase voll.«
»Sie sind ausgerückt?«
»Ich bin 18. Ich kann gehen, wohin ich will. Bis jetzt habe ich noch nicht viel vom Leben gehabt. Ich habe einiges nachzuholen.«
»Kennen Sie jemand in London?«
»Ich habe da einen entfernten Verwandten. Auf den kommt mein Vater nie. Er wird mich bei sich aufnehmen. Fahren vielleicht Sie zufällig nach London?«
»Allerdings.«
»Würden Sie mich mitnehmen?« fragte das Mädchen scheu.
»Wissen Sie, ich will Ihretwegen keine Schwierigkeiten kriegen.«
»Kriegen Sie schon nicht, ich versprech’s Ihnen.«
Er überlegte kurz und nickte dann. »Na schön, steigen Sie ein.«
Sie strahlte ihn dankbar an. »Ich heiße Jean Lightfoot, Merv.«
Er staunte. »Woher kennen Sie meinen Vornamen?«
»Der widerliche Kerl hat Sie so genannt.«
»Ach ja, richtig.« Er kletterte ins Fahrerhaus. Jean Lightfoot lief um den Truck herum, er machte ihr die Tür auf, sie warf ihre Sporttasche zu ihm hoch, und Augenblicke später saß sie neben ihm.
»Es kann von mir aus losgehen«, sagte das Mädchen und klemmte die gefalteten Hände zwischen ihre Knie.
Swift startete die schwere Maschine und ließ den Truck anrollen.
Jean stellte ihm viele Fragen. Gott, was die nicht alles wissen wollte.
Wo er wohnte, ob er verheiratet wäre, was er in seiner Freizeit mache, wie ihm sein Job gefalle, ob er sich vorstellen könne, in irgendeiner Fabrik zu arbeiten… und, und, und …
Es kam keine Langeweile auf, und Swift stellte bei sich fest, daß er dieses quirlige Mädchen, das sich endlich auch mal ein Stück von dem Kuchen, den man Leben nennt, abschneiden wollte, von Minute zu Minute anziehender fand.
Als sie Northampton hinter sich gelassen hatten, fragte ihn Jean Lightfoot unvermittelt: »Ist etwas dran an dem, was Jock sagte, Merv?«
»Was meinen Sie?«
»Sind Sie wirklich… andersrum?«
»Falsch gestrickt? Ich?« Er lachte herzlich. »Himmel, nein. Dutzende von Mädchen könnten dir bestätigen, daß ich ein Mann bin, wie er sein soll.« Er duzte sie plötzlich. Es fiel ihm erst auf, als es schon über seine Lippen gekommen war, und er blieb dabei.
»Sehe ich aus wie einer vom anderen Ufer?«
Jean zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, wie die aussehen.«
Die Unterhaltung stockte kurz.
»Sind Sie mir jetzt böse?« fragte Jean nach einer Weile.
»Weswegen?«
»Weil ich so eine dumme Frage gestellt habe.«
Er streifte sie mit einem interessierten Blick. »Es wäre mir ein
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