0374 - Ein Mörder rechnet zweimal ab
steckte kein Schlüssel.
Ich stieg in die erste Etage und klopfte an die Tür der Schnurrbärtigen.
Sie schien dahinter gelauert zu haben. Die Tür flog auf, und die Frau hauchte mir hochprozentigen Ginatem ins Gesicht, als sie erklärte, daß sie noch nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt hätte und…
Ich schnitt ihre Rede ab.
»Wo ist Tresoro?«
»Nicht mehr da.«
»Was heißt das?«
»Er ist weg. Ausgeflogen, verreist, verduftet. Wie Sie wollen, Sonnyboy.«
»Er hat sein Zimmer auf gegeben?«
»Ja. Aber er hat die Miete bezahlt.«
»Wann ist er ausgezogen?«
»Eine halbe Stunde, nachdem Sie heute morgen weggegangen waren.«
»Wissen Sie, wohin er ist?«
»Keine Ahnung. Er hat kein Wort gesagt. Aber er hat die Miete…«
Ich hatte keine Lust, mir alles doppelt anzuhören, sauste die Treppe hinunter und bestieg den Jaguar.
Ich gab Gas und schnurrte nach Norden. Ich fuhr bis zur Queensboro-Bridge, überquerte den East River, erreichte den Northern Boulevard und schließlich die Steinwav Street.
Das Mietshaus, in dem Frank Zwillinger wohnte, lag in der Nachmittagssonne. Die Eingangshalle war leer. Im Treppenhaus hing verbrauchte Luft.
Ich klingelte an Zwillingers Wohnungstür. Ich tat es mehrere Male, aber kein Mensch öffnete mir.
Nachdem ich fast zehn Minuten mit dieser unnützen Beschäftigung zugebracht hatte, gab ich es auf und stieg langsam die Treppe hinunter.
Tresoro war verschwunden, Zwillinger ließ sich nicht blicken. Heute morgen hatte ich die beiden in der Pension getroffen. Hatte das etwas zu bedeuten? Oder war der Detektiv wirklich nur bei Tresoro aufgetaucht, um sich gründlich über Kovars sonderbares Benehmen zu instruieren?
Ich kam in die Halle. Sie war nicht mehr leer.
Zwillinger schloß gerade die Haustür. Er drehte mir den Rücken zu, wandte sich jedoch schnell um, als er meine Schritte vernahm.
Er stutzte bei meinem Anblick. »Wollten Sie zu mir?«
»Sehr richtig. — Tresoro ist verschwunden.«
»Ach. Und Sie glauben, ich sei daran schuld? Sie irren sich. Übrigens: Mein Auftrag ist beendet. Mrs. Kovar sagte mir vor einer halben Stunde, daß sie meine Dienste nicht mehr braucht. Sie gab mir fünfzig Dollar. Das ist die vereinbarte Tagesgage. Außerdem erhielt ich zehn Dollar Spesen.«
»Sie könnten sich die Sympathie eines G-mans erwerben, wenn Sie mich sofort ’ anrufen, falls Ihnen Tresoro über den Weg läuft.«
Er gab keine Antwort, aber in seinem Gesicht stand zu lesen, daß er auf Sympathie keinen großen Wert legte.
***
Zu der verabredeten Zeit am nächsten Morgen klingelte ich an der Wohnungstür der Kovars. Ich hatte mir ein paar trostreiche Worte zurechtgelegt, die ich dem sensiblen Zeitungsmann sagen wollte.
Nach meinem Klingeln verging eine knappe Minute. Dann wurde mir geöffnet. Aber weder Mrs. Kovar noch der Journalist ließen mich ein, sondern ein etwa achtjähriges Mädchen stand auf der Schwelle. Die Kleine sah entzückend aus — mit dem brünetten Pagenkopf und dem frischen Gesichtchen Sie hatte sich einen roten Bademantel angezogen, der offenbar noch lange passen sollte, denn zur Zeit war er mindestens zwei Nummern zu groß.
»Wo sind denn deine Eltern?«
»Die schlafen noch.«
»Dann sag ihnen mal Bescheid, daß Mr. Cotton gekommen ist.«
»Wollen Sie mit uns frühstücken, Mr. Cotton?«
»Vielleicht. Aber jetzt mach erst mal deine Eltern wach. — Wie heißt du denn?«
»Ich bin Gaby Kovar.« Sie blickte mich prüfend an. Ich schien die Musterung zu bestehen, denn die kleine Lady bat mich herein.
Dann verschwand das Kind hinter der Tür, die zum Schlafzimmer der Eltern führte.
Ich wartete. Mindestens drei Minuten vergingen. Dann öffnete sich die Tür wieder, Gaby kam herein und sagte: »Ich kann Mammi nicht wachkriegen.«
»Na, dann laß sie schlafen. Dein Daddy ist schon auf gestanden, ja?«
»Daddy ist gar nicht da.«
»Guck mal schnell ins Bad und in die Küche. Vielleicht ist er dort.«
Sie verschwand, kam aber schon nach wenigen Augenblicken zurück, um mir zu melden, daß der »Daddy« nicht mehr hier sei.
Auf dem Kaminsims stand das Telefon.
»Weißt du, welche Nummer der Portier hat?«
»Ich glaube eins.«
Ich wählte die eins, Sekunden später wurde am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen, und der Portier meldete sich.
»Hier spricht Cotton vom FBI«, sagte ich. »Ich bin in der Wohnung Nummer 124. Seit wann sind Sie im Dienst?«
Nach einer kurzen Schrecksekunde kam die Antwort: »Seit
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