0375 - Bluthand aus dem Jenseits
schützte.
Die sechs Bewacher standen da wie Zinnsoldaten. Von den Bewohnern ließ sich noch immer niemand blicken. Die Menschen hatten sich in die Häuser zurückgezogen.
Die vier Männer in Grau bildeten auf der Unterlage ein Quadrat.
Auch sie ließen sich nicht in die Karten schauen. Ein jeder von ihnen war für eine bestimmte Aufgabe abgestellt worden, und die wurde von ihnen auch bis zur letzten Konsequenz ausgeführt.
Und dann hörten wir die Stimme. Alle vier redeten, obwohl sich ihre Stimmen vereinigten, sodass sie wie eine klangen.
»Die Beschwörung ist euch gelungen. Ihr habt herausgefunden, dass dieses Tal eine Verbindung zwischen eurer Welt und dem Lande Aibon darstellt. Die Bluthand, die lange Zeit Angst und Schrecken verbreitet hat, ist zurückgekehrt an ihren Platz, wo sie einstmals erschaffen wurde. Sie hat das Blut der Opfer ausgesaugt und es auch behalten. Der Lebenssaft steckt im Holz. Er sorgt dafür, dass die Bluthand bis in alle Ewigkeit existent bleibt. Und ihr werdet sehen, wie sie das erste Opfer seit langer Zeit auf dieser Welt wieder an sich reißt und es vernichtet. Ein Bild, das symbolisch sein soll. Wer es geschafft hat, die Bluthand magisch zu beschwören, dem gehorcht sie sklavisch und macht ihre Gebieter zu den Herren der Welt…«
Leise klang das Lachen der Terroristin. »Ihr habt es gehört«, flüsterte die Frau. »Ihr habt es genau gehört. Jetzt könnt ihr euch danach richten, ihr verdammten…«
»Seien Sie ruhig!«, befahl ich.
»Deine Stimme zittert, Sinclair. Du scheinst Angst zu haben.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch Suko griff ein. Er hatte mein hartes Gesicht gesehen und ahnte, dass in mir einiges vorging.
Deshalb hob er seine Maschinenpistole an und presste den kalten Ring der Mündung in den Nacken der verbrecherischen Frau.
»Reicht das, oder soll ich abdrücken?«
»Ihr macht euch lächerlich.«
Ihre Worte hatten uns wahrscheinlich nur ablenken sollen, denn die Hand blieb nicht mehr ruhig.
Ihre vier Finger, schon leicht gekrümmt, bewegten sich weiter nach unten, um sich zur Faust zu schließen. Nur der Daumen war abgespreizt.
Auf der Straße war es still geworden. Beinahe schwer lastete das Schweigen über dem Dorf, und diese Ruhe wurde von einem stöhnenden Laut der Angst unterbrochen, den Miriam di Carlo abgab.
Sie war nicht sichtbar gefesselt, dennoch gelang es ihr nicht, sich zu bewegen. Demnach konnte sie auch nicht fliehen und musste tatenlos mit ansehen, wie sich die Finger immer mehr ihrem Körper näherten.
Ich stieß Suko an und flüsterte: »Bleib du bei ihr, ich werde hingehen.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Dann Cheerio, Selbstmörder!«, vernahm ich Eileens spöttische Bemerkung, als ich mich in Bewegung setzte und das schützende Dunkel des heruntergezogenen Dachs verließ.
Ich betrat die Straße.
Niemand kümmerte sich um mich oder wollte sich um mich kümmern. Jedenfalls ging ich den ersten Schritt, den zweiten, und ich sah auch, dass die Hand ihre Bewegung nicht gestoppt hatte.
Sie krümmte sich immer mehr zusammen.
So ging ich weiter, umschmeichelt vom flackernden Schein des Feuers, der zuckend über meinen Körper lief und mich hin und wieder blendete.
Ich beeilte mich, aus dem unmittelbaren Bereich der Fackeln zu gelangen, bevor ich mit lauter Stimme meinen Befehl über die lange Hauptstraße rief und hoffte, dass er an die richtigen Ohren gelangte.
»Wer immer ihr seid, hört auf damit! Stoppt die Hand, oder Eileen ist eine Leiche!«
***
Nach meinen Worten wurde es still. Im Fackellicht suchte ich die Hand.
Es war mir tatsächlich gelungen, einen ersten Erfolg zu erzielen.
Die Finger rührten sich nicht.
Ein Zeichen der lauernden Bewegungslosigkeit.
Ich spürte auch den feinen Schweiß auf meiner Haut. Diese Vorgänge waren auch an mir nicht spurlos vorübergegangen. Meine Aktion kostete Kraft, sie kostete Nerven, und dass wir das Spiel noch längst nicht gewonnen hatten, war mir inzwischen mit brutaler Deutlichkeit klar geworden. Aber ich hatte einen Aufschub erreicht, und ich sah, dass sich die Gefangene bewegte, denn auch sie musste durch meine Stimme aufgerüttelt worden sein.
Miriam hob den Kopf.
Es war eine langsame, zögernde Bewegung, als würde sie der Frau große Mühe bereiten. Sie schaute schließlich hoch. Da ich inzwischen näher an sie herangekommen war, konnte ich auch ihr Gesicht besser erkennen.
So etwas von Unglauben in den Zügen eines Menschen hatte ich bisher selten gesehen.
Es
Weitere Kostenlose Bücher