038 - Der Rächer
er einen fast bedauernswerten Eindruck.
»Was ist los, was ist geschehen?« wimmerte er. »Hat hier jemand geschossen?«
»Ja, hier hat jemand geschossen«, sagte Mike ruhig. »Und der Jemand war ich. Die Leute, die Sie hierher schickten, um mit mir abzurechnen, können froh sein, dass ich nur auf das Schloss im Fensterladen geschossen habe und nicht auf sie.«
Irgendein weißer Gegenstand lag auf dem Fußboden. Schnell ging Brixan hin und nahm ihn auf. Er hatte eine rohseidene Binde in der Hand. Ein penetranter Geruch ging davon aus.
»Jemand muss das hier in der Eile verloren haben«, sagte er. »Ich glaube, man wollte es eben bei mir anwenden . . .«
»Aber mein Lieber, ich versichere Ihnen, dass ich nichts davon weiß«, sagte Penne.
»Wie befindet sich die kranke Frau?« fragte Mike mit einem spöttischen Lächeln. »Sie wissen, die verrückte Frau, die vorhin so geschrieen hat?«
Gregory strich mit seiner Hand einen Augenblick über die zitternden Lippen, anscheinend, um sich zu beruhigen.
»Oh, es geht gut, es war schon so, wie ich dachte«, sagte er. »Sie hatte einen Anfall.«
Mike sah ihn durchdringend an.
»Ich wünsche sie zu sehen«, sagte er.
»Das können Sie nicht.« Penne antwortete mit einer lauten, herausfordernden Stimme. »Sie können überhaupt hier niemanden sehen. Was zum Teufel wollen Sie denn, wenn Sie zu so früher Morgenstunde in mein Haus kommen und mein Eigentum beschädigen? Ich werde die Sache Scotland Yard anzeigen! Das wird Sie Ihre Stellung kosten, mein Lieber! Manche Detektive glauben, sie können sich alles herausnehmen. Aber ich werde Ihnen zeigen, dass Ihre Macht sehr beschränkt ist.« Seine Stimme wurde immer lauter, schließlich fing er an zu schreien.
Mike merkte, dass er seine Furcht durch Schimpfen und Drohen verdecken wollte. Er schaute nach den Schwertern über dem Kamin. Sir Gregory folgte seinem Blick und änderte plötzlich sein Benehmen.
»Warum bringen Sie mich auch so in Wut! Ich bin der netteste Mensch auf der Welt, wenn Sie mich richtig behandeln. Sie scheinen sich verrückte Ideen über mich in den Kopf gesetzt zu haben.«
Mike antwortete nicht. Er schritt langsam die Treppe hinunter. Als er hinaustrat, ging gerade die Sonne auf. »Ich kann nicht darauf bestehen, Ihr Haus zu durchsuchen«, wandte er sich an Gregory, »weil ich keinen Durchsuchungsbefehl in Händen habe, und wenn ich mir ihn jetzt erst beschaffe, dann wird nichts mehr zu finden sein. Darüber bin ich mir klar. Aber nehmen Sie sich in acht, alter Freund!« Dabei drohte er ihm mit dem Finger.
Als er sich weiter und weiter auf dem Pfad entfernte, folgten ihm die Blicke einer verzweifelten, blassen Frau aus dem Fenster des obersten Turmgeschosses.
Brixan kam zur Frühstückszeit wieder in Dower House an. Niemand schien seine Abwesenheit entdeckt zu haben. Nur Helen hatte sein Verschwinden bemerkt, und sie war auch die erste, die von seiner Rückkehr wusste.
Jack Knebworth war in der heitersten Stimmung. Die Aufnahmen waren seiner Meinung nach sehr gut gelungen. »Ich kann natürlich noch nichts Genaues sagen, dazu muss ich erst die Filmstreifen entwickelt haben. Aber soweit es Miss Leamingtons Spiel angeht, sind sie geradezu prachtvoll geworden. Im Augenblick kann man noch nichts voraussagen, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie eine große Künstlerin werden wird.«
»Zuerst haben Sie das nicht erwartet«, sagte Mike erstaunt. Jack lachte verlegen. »Im Anfang war ich über die Mendoza furchtbar erzürnt, und als ich Miss Leamington als Aushilfe bei den Aufnahmen nahm, rechnete ich damit, dass ich nachher die Aufnahmen alle noch einmal mit der Mendoza machen müsste. Filmstars werden im allgemeinen nicht fertig geboren, sie müssen langsam erzogen werden, und sie haben viel bittere Enttäuschungen durchzumachen, bevor sie etwas werden. Aber Helen hat alle Entwicklungsphasen schon durchgemacht -Ihr Mädchen ist schon über alle Gefahren hinaus.«
»Sie sprachen von ,meinem Mädchen'«, sagte Mike vorsichtig. »Wollen Sie damit mehr ausdrücken, als dass ich großes Interesse an ihr habe?«
»Tun Sie doch nicht so - Sie wissen schon, was ich meine.« »Was für Aussichten hat denn ein Filmstar?« fragte Mike, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. Knebworth fuhr mit der Hand durch sein weißes Haar. »In England sind ihre Chancen recht gering. Meistens haben sie nur lokale Bedeutung ...«
Das war sein Lieblingsthema, und er sprach auf dem ganzen Rückweg nach
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