038 - Verbotene Sehnsucht
„Nein."
Sie ließ ihre Hand sinken. „Rebecca, würden Sie bitte bei Ihrem Bruder bleiben, während ich ihm etwas Wein hole? Vielleicht belebt ihn das ja ein bisschen."
„Aber natürlich", sagte Rebecca und kam zu ihm.
Und dann schickte Lady Emeline sich an, ihn zu verlassen. Er hörte ein leises, gequältes Stöhnen, und auch als er sich schließlich bewusst wurde, dass er es war, der so stöhnte, konnte er weder den schrecklichen Laut unterdrücken noch sein Bedürfnis, sie an seiner Seite zu behalten. Er drehte sich nach ihr um, wollte sie bitten, bei ihm zu bleiben, doch was er im nächsten Moment sah, ließ ihn innehalten.
LordVale stand an der Tür zum Ballsaal.
Jasper schloss die Verandatür hinter sich, lächelte sein sorgloses, charmantes Lächeln und sagte: „Emmie! Ja, da schau einer an, ich hätte nicht erwartet, dich hier anzutreffen."
Worauf Emelines einziger Gedanke war: Wie kann ich ihn schnell und unauffällig aus dem Weg schaffen? Kein sonderlich zartfühlender Gedanke in Anbetracht der Tatsache, dass sie den Mann bereits ihr ganzes Leben kannte, aber so war es nun mal. Es war schlicht unabdingbar, Samuel von hier fortzubringen, ehe Jasper merkte, in welch schlechter Verfassung er war. Denn sie ahnte, dass es Samuel unerträglich wäre, wenn man ihn so sähe.
Eben im Ballsaal war alles so schnell gegangen. Schon beim Betreten des Hauses hatte sie gespürt, wie er sich anspannte, hatte sich jedoch nichts dabei gedacht. Eine vornehme Geselligkeit in dieser Größenordnung hatte bisher so manchen die Nerven verlieren lassen. Doch je weiter sie sich dem Ballsaal genähert hatten, desto zögerlicher waren seine Schritte geworden. Selbst wenn man in Betracht zog, wie mühsam es war, sich durch die Menge zu mühen, hatte Samuel sich ungewohnt schwerfällig bewegt. Und als sie dann schließlich zu ihm aufgeschaut hatte, war ihm quälender Schmerz im Gesicht gestanden. Ob das Leiden körperlicher oder geistiger Natur war, wusste sie nicht zu sagen, aber alles - von den geschlossen Augen über das bleiche, schwitzende Gesicht bis zu der Art, wie er sich plötzlich an sie klammerte - ließ eine quälende Pein vermuten. Die Vorstellung, dass er, dieser große, starke Mann, Schmerzen litt, hatte sie schier gelähmt. Fast hatte sie gemeint, seinen Schmerz am eigenen Leib zu spüren. So schnell wie möglich hatte sie ihn aus dem Saal geführt und war sich dabei die ganze Zeit seiner stummen, verzweifelten Qual bewusst gewesen.
Und nun auch noch Jasper.
Emeline straffte die Schultern und setzte ihre hochmütigste Miene auf - jene, die sie als Tochter eines Earls schon in der Kinderstube erlernt hatte. Doch sie bemühte sich ganz umsonst, denn Jasper sah sie überhaupt nicht an. Sein Blick ging geradewegs an ihr vorbei, war wahrscheinlich auf Samuel gerichtet.
„Hartley? Ich glaube es ja nicht! Corporel Hartley, nicht wahr?", fragte Jasper.
„Ja", ertönte es kurz und knapp hinter ihr.
Als Emeline sich umdrehte, stand Samuel bereits aufrecht und gefasst, nicht mehr an die Brüstung gelehnt wie eben, nur sein Gesicht war noch immer furchtbar blass und glänzte feucht von Schweiß. Reglos stand er da, als warte er auf etwas. Rebecca verharrte unschlüssig neben ihm und blickte verwirrt zwischen den beiden Männern hin und her.
Jasper trat näher. „Ich habe Sie nicht mehr gesehen seit..." Er verstummte jäh, als bringe er es nicht über die Lippen.
„Seit Spinner's Falls."
„Ja." Die übliche sorglose Belustigung war aus Jaspers Miene verschwunden, und auf einmal sah Emeline deutlich die beiden Falten, die sich zwischen seiner langen Nase und seinem etwas zu breiten Mund eingegraben hatten.
„Wussten Sie, dass man uns verraten hat?", fragte Samuel leise.
Jasper schien es nicht gewusst zu haben. „Wie bitte?", fragte er und zog seine buschigen Brauen zusammen.
„Jemand hat das ganze Regiment verraten. Wissen Sie etwas davon?"
„Warum sollte ich?"
Samuel zuckte mit den Schultern. „Sie waren bei Clemmons verschuldet."
„Was soll das denn heißen?"
„Sehr hoch verschuldet. Jeder Veteran unseres Regiments, mit dem ich seit meiner Ankunft in England gesprochen habe, erinnert sich noch sehr genau an diesen Umstand. Ihnen drohten der Ausschluss aus der Armee, der Verlust Ihres Titels, der Verlust Ihrer Ehre."
Jasper warf den Kopf zurück, als hätte ein Hieb ihn getroffen. „Das ist..."
„Das Massaker von Spinner's Falls hat Sie davor bewahrt."
Emeline sah, wie es Jasper in den
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