0382 - Höllen-Friedhof
brennenden Kerzen gab ihnen einen noch schaurigeren Touch, denn von den Seiten her fielen graue Schatten auf die Haut und vermischten sich mit den hochsteigenden roten Dämpfen.
Wladimir stand neben mir und atmete schwer. Immer öfter schüttelte er den Kopf, weil er es einfach nicht wahrhaben wollte.
»John, das ist zu viel. Tu etwas!«
Das hatte ich schon lange vor, doch es war mir nicht mehr möglich. Ich konnte mich einfach nicht bewegen. Etwas hinderte mich daran, den Fuß nach vorn oder auch zurückzusetzen.
Der Russe bemerkte meine Berührungen. Er wollte sich an meiner Stelle bewegen und mußte schon nach dem ersten Versuch einsehen, daß er es nicht schaffte.
Die andere Kraft oder Gewalt war einfach stärker. Und sie füllte das Innere der Leichenhalle bis in den kleinsten Winkel hin aus. Wir waren praktisch gefangene Statisten, mit denen man einfach nur spielte.
Wie dies überhaupt möglich war, darüber konnte ich nur spekulieren. Es mußte einfach mit den Blutdämpfen zusammenhängen, die zusammen mit dem Druidenstern eine magische Verbindung eingegangen waren und eine völlig neue Sphäre geschaffen hatten.
Sie bekam ich mit.
Ich hatte das Gefühl, nicht mehr in einer normalen Welt zu stehen. Der Friedhof, die Leichenhalle, all dies war auf einmal so weit weg, selbst unsere Feinde und die Stimme Petar Kopaneks.
Als er redete, schien er in einen Tunnel zu sprechen. Aus der Ferne erreichten die Worte unsere Ohren trotzdem. Er sprach von der Verwirklichung seiner großen Pläne und davon, daß wir mit hineingerissen würden.
»Es ist der Arm der Vergangenheit, der eine magische Brücke geschlagen hat und nach uns greift. Wir werden gemeinsam die Vollendung des Lebens durch den Satan erleben. Wir sehen ihn, der mit seiner Sense die Felder der Leichen hinterlassen hat, und wir geraten in den Kreislauf der Blutsonne, die unseren Lebenssaft zum Kochen bringt. Öffnet euch, ihr Tore der Vergangenheit! Stoßt weit auf, nehmt uns in eure Arme und laßt uns in die Hölle sehen. Wir wollen das Leben. Ein Leben für den Teufel. Er wird uns die Kraft geben, die einst der Rabbi Loew, dessen Erbe ich allein bin, geweckt hat.«
Die Macht der Worte steigerte sich zu einem gewaltigen Sturm. Es war kein Brausen oder Heulen im eigentlichen Sinne, sondern der Orkan der Zeit, der auch uns nicht verschonte und mit seinen gierigen Händen so stark nach uns griff, daß wir uns nicht mehr dagegen wehren konnten.
Mir kam es tatsächlich so vor, als hätte sich die Geschwindigkeit der Zeit verändert. Irgendwie lief alles langsamer ab. Ich hatte zur Seite geschaut und sah, wie sich mein Partner aus Rußland bewegte.
Wie ein Pantomime es auf der Bühne dem Publikum vormachte, so streckte auch er seine Arme aus, als wollte er mit einer tänzerischen Bewegung in das Sechseck hineingleiten.
Dann hob er ab.
Bevor ich noch mein Erstaunen darüber kundgeben konnte, erwischte es auch mich.
Im ersten Moment war es ein wundersames Gefühl, fliegen zu können, aber ich stellte auch fest, daß wir uns dem magischen Druidenstern näherten und, unsere Chancen allmählich dahinschwanden. Wir schafften es einfach nicht, uns dagegen zu wehren.
Der Blutnebel erwartete uns.
Wladimir tauchte als erster hinein. Ob er schrie oder nicht, ich hörte es nicht, ich sah ihn plötzlich verschwinden, und dann war ich an der Reihe.
Ein Ziehen spürte ich noch an meinen Gelenken, etwas strich kalt und gleichzeitig auch warm über meine Haut, danach nahm mich der Kreisel auf und schleuderte mich, dank seiner Schwarzen Magie, hinein in eine andere Zeit, die so schrecklich gewesen war…
***
Natürlich hatte es Suko nicht gefallen, in London bleiben zu müssen, aber es war ihm keine andere Möglichkeit geblieben, denn nach wie vor schwebte eine große Gefahr über allem, die auch einen Namen besaß.
Es war der Spuk!
Ihm war es gelungen, den Würfel des Unheils an sich zu nehmen.
Und er hatte auch den zweiten Würfel noch in seinen Besitz bringen wollen, das jedoch gelang seinen beiden Helfern Akim Samaran und dessen Leibwächter Kamikaze nicht mehr.
Andere waren schneller.
Unter anderem Suko, natürlich auch John Sinclair, in dessen Besitz sich der zweite Würfel befand.
Nach Prag hatte er ihn nicht mitgenommen, und so war Suko die Aufgabe zugefallen, auf ihn zu achten.
Natürlich wollte er ihn nicht mit in das Büro nehmen, der Würfel hatte seinen Platz in Johns Wohnung bekommen, und zwar dort, wo auch der Kelch des Feuers und Taniths
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