0387 - Die magische Jagd
gewährten?«
»Weshalb?« fragte Zamorra, der mit seinen Gedanken noch bei Merlins gescheiterter Beinahe-Befreiung war.
»Nun, parapsychologisch betrachtet ist dieser Echsenmann ein Phänomen«, sagte Saranow. »Ich hätte ihn gern ein wenig studiert.«
»He, Norr ist ein denkendes, intelligentes Lebewesen und ein Freund; kein seelenloses Forschungsobjekt im Versuchslabor!« protestierte Zamorra.
»So meine ich das ja auch nicht«, wehrte sich Saranow. »Ich möchte mich einfach mit ihm unterhalten, gospodin. Eine Art Erfahrungsaustausch. Was glaubst du, was ich damit alles anfangen könnte, wenn ich nach Akademgorodok zurückkehre.«
»Man würde dir nicht glauben, Genosse Boris Iljitsch. Man würde dich auslachen und nach deinen Beweisen fragen. Selbst wenn du Fotos von Reek Norr mitbringst, würde man die für einen Witz halten.«
»Du verstehst mich schon wieder nicht richtig, Brüderchen Zamorra«, sagte Saranow. »Ich will kein Buch über ihn schreiben, kein ›Wie ich einen Außerirdischen kennenlernte‹ oder ähnlichen Unsinn. Ich will nur lernen und versuchen, das Gelernte in bezug auf unsere eigenen Forschungen anzuwenden. Zu vergleichen. Vielleicht zu verbessern. Verstehst du jetzt?«
»Jein«, erwiderte Zamorra. »Du möchtest also, daß Norr noch eine Weile hier bleibt, damit du dich eingehend mit ihm unterhalten kannst.«
Saranow grinste von einem Ohr zum anderen.
»Richtig. Du bist ein kluges Kerlchen, Brüderchen. Da könnte ich deinem Landsmann Napoleon fast verzeihen, daß er damals mit seiner Armee Mütterchen Rußland verheert hat…«
»Napoleon war Korse, kein ›richtiger‹ Franzose«, verbesserte Zamorra. »Und meine Vorfahren kommen zum Teil aus Spanien. Laß also die französische Eroberungspolitik früherer Jahrhunderte aus dem Spiel, ja? Oder ist das angeboren?«
»Ach, eigentlich nicht«, sagte Saranow. »Wie ist es nun, Brüderchen Spanier? Schickst du Reek Norr noch nicht nach Elba… äh, in seine Welt in die Verbannung zurück?«
»Frag ihn selbst, ob er noch hier bleiben will«, brummte Zamorra. »Und laß mich jetzt endlich in Ruhe. Ich möchte schlafen und mich erholen.«
Saranow richtete sich halb auf. »Schlaf, Brüderchen Zamorra…«
»… ist russische Erfindung«, seufzte der Angesprochene.
Saranow schüttelte den Kopf. »Laß mich doch ausreden. Ich wollte was ganz anderes sagen. Eine wissenschaftliche fundamentale Erkenntnis: Schlaf ist gesundheitsschädlich. Um das zu beweisen, möchte ich dich als Testperson…«
Zamorra hob die Faust.
»Noch ein Wort, Genosse Boris IIjitsch«, warnte er, »und ich folge Kaiser Napoleons unseligem Beispiel in ganz individueller und privater Form und haue einem Russen eins auf die Nuß…«
»Nun sieh doch nicht alles so furchtbar politisch«, ächzte Saranow.
»Ruhe«, warnte Zamorra. »Und — wehe, du schnarchst!«
***
Obgleich er schlafen wollte, dauerte es geraume Zeit. Er lag lange wach; das gescheiterte Experiment mit Sara Moon wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Sollte das wirklich das Ende aller Hoffnungen sein? Sollte Merlin wirklich für alle Zeiten gefangen bleiben?
Es durfte einfach nicht sein.
Vielleicht waren Sara Moons Kräfte einfach noch nicht ausgebildet genug. Oder sie war zu schwach gewesen. Zamorra erinnerte sich an die Zeitlose, dieses blauhäutige Geschöpf, das ein Produkt der Verbindung zwischen einem MÄCHTIGEN und einem Angehörigen der DYNASTIE DER EWIGEN gewesen war, die sich vor Äonen zusammengefunden hatten. Die Zeitlose hatte Dhyarra-Magie in sich getragen. Unglaublich starke Magie.
Sicher, Sara Moon, die Druidin, war alles andere als unerfahren in magischen Dingen. Sie beherrschte weit mehr, als man meinen mochte. Und doch hatte es nicht gereicht.
Vielleicht müßte man das in ihr steckende Erbe ihrer Mutter von außen aktivieren? Vielleicht die Kraft verstärken…
Kraft verstärken! Verstärken! Kraft! Die beiden Begriffe fuhren in Zamorras ermüdender Gedankenwelt Karussell und wollten ihn nicht mehr loslassen.
Und die Bitte Saranows, Reek Norr noch nicht in die Echsenwelt zurückzuschaffen…
Reek Norr mit seiner superstarken Kraft…
Kraft verstärken…
Als Zamorra endlich einschlief, hatte er einen Entschluß gefaßt.
***
Am späten Vormittag — andere bezeichnten es als frühen Mittag — teilte er das Resultat seiner Gedankenarbeit den anderen mit. Das Frühstück war vom Zimmerservice gebracht worden, und jetzt hockten sie zusammen — diesmal in Reek Norrs
Weitere Kostenlose Bücher