039 - Der schwarze Abt
stoßen Sie auf den Satz: ›Mein Vater war ein Bremer Kaufmann.‹ Wenn Bremen nicht in Deutschland liegt, will ich Holländer sein! War der Vater aber ein Deutscher, so ist es der Sohn ebenfalls, denn in jenen Zeiten gab es noch keine Naturalisierung.«
Nach diesem literarischen Intermezzo wandte sich Mr. Puttler wieder dem Thema zu, das Dick durch seine Ankündigung von Leslie Gines Besuch unterbrochen hatte und bei dem es um die Mängel der neuen Kirchenmusik g in g.
Bald darauf verließ Harry die Tafel, kehrte jedoch nach wenigen Minuten mit einem dicken Band unter dem Arm zurück.
»Sie haben recht mit Robinson Crusoe, Mr. Puttler! Unglaublich, wie man ein Leben lang von falschen Annahmen ausgehen kann.«
Beeindruckt von solcher literarischer Findigkeit, änderte der Hausherr seine Haltung dem Gast gegenüber, den er bis jetzt auf die gleiche Stufe mit dem Milchmann, dem Postboten und dem Krämer gestellt hatte. Nun faßte er ihn wohlwollend am Arm und zog ihn in die Bibliothek, um ihm das Tagebuch des Ahnen zu zeigen.
Dick Alford aber, der Puttler für geraume Zeit versorgt wußte, trieb sich unterdessen im Freien herum. Als er in der Ulmenallee Leslies Zweisitzer begegnete, sprang er auf das Trittbrett des fahrenden Wagens.
»Ich trainiere für meinen neuen Beruf«, rief er ihr ausgelassen zu. »Sobald Sie als Herrin in Fossaway einziehen, werde ich Straßenbahnschaffner!«
»Wann wird das wohl sein, Dick?«
»Hoffentlich nie!« Die Worte entschlüpften ihm, bevor er seine Zunge, wie er es sonst tat, im Zaum halten konnte.
Leslie ließ sich nichts anmerken, sie blickte geradeaus und steuerte ihren Wagen vor das ehrwürdige Portal.
Dick half ihr beim Aussteigen.
»Passen Sie auf, Sie werden einen merkwürdigen Kauz kennenlernen.«
»Wer ist es?«
»Ein Buchprüfer, sehr unterhaltsam und belesen.«
In Gegenwart seiner Verlobten legte Harry Alford eine Nervosität und Befangenheit an den Tag, die allenfalls bei einer ersten Begegnung zu verstehen gewesen wäre. Ihre Hand ließ er sofort wieder los.
»Wie geht es, Leslie? Darf ich vorstellen - Mr. Tuttler .«
»Puttler«, verbesserte der Detektiv. Ein melancholischer, sehnsüchtiger Blick der braunen Augen traf Leslie.
»Kommst du, Harry?« fragte Dick. »Der Tee wird im Blauen Salon serviert.«
»Ja, ja. In ein paar Minuten.«
Als Leslie Gine und Dick Alford sich im Blauen Salon, von dessen Fenster man auf lange Beete gelber Chrysanthemen hinaussah, am Teetisch niederließen, stellten sie fest, daß sie ganz allein waren. Mr. Puttler hatte sich in der Halle heimlich davongemacht, um, wie er nachträglich behauptete, den Park einer Besichtigung zu unterziehen.
»Haben Sie sich ausgeschlafen nach den Aufregungen der Nacht?« fragte Dick.
»Nein, ich konnte nicht schlafen. Ich habe Arthur noch nie so aufgeregt gesehen. Meine Vermutung, daß der Mann, mit dem er sich geprügelt hat, Gilder war, hat sich bestätigt. Aus Andeutungen Arthurs konnte ich entnehmen, daß Gilder ihm irgendwohin gefolgt ist.«
»Nach den Ruinen vermutlich! Ich will Ihnen etwas verraten, Leslie, das ich sogar vor Harry geheimhalte. Vielleicht kann es Sie in den dunklen Stunden der Nacht ein wenig beruhigen. Puttler ist nämlich Detektiv, ein Mann von Scotland Yard.«
»Aber wozu nur ...«
»Es tragen sich hier Dinge zu, die mir nicht gefallen. Wenn ich mir auch zutraue, mit allem möglichen fertig zu werden, so brauche ich doch täglich meine sieben Stunden Schlaf, und ich muß mich auch in dieser Zeit auf jemanden verlassen können.«
»Ist es der Schwarze Abt, der Ihnen Kopfzerbrechen macht?«
»Ja und nein. Glauben Sie an den Schatz, Leslie?«
»Den Chelfordschatz? Es ist doch wohl nicht zu bestreiten, daß vor Jahrhunderten Gold nach Fossaway gebracht wurde.«
»Das schon. Aber glauben Sie, daß er heute noch irgendwo hier existiert? Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, daß außer Harry noch andere Leute von seinem Vorhandensein überzeugt sind.«
»Glauben Sie jetzt etwa selbst daran?«
»Soweit bin ich noch nicht.« Dick holte tief Atem. »Aber meinem Unglauben ist ein Stoß versetzt worden.
Ich zweifle - und Zweifeln ist die schlimmste Verfassung, in die ein Mann geraten kann. Oder doch beinahe die schlimmste.«
Leslies schöne Augen funkelten mutwillig.
»Weiß Harry von Ihrer Bekehrung?«
»Er ahnt es.«
»Kommen Sie hinaus auf die Terrasse«, schlug sie vor. »Ihre Blumen sind herrlich.«
»Alles, was dieser Garten bietet ...« setzte er
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