039 - Vor der Tür stand Frankenstein
sich
hinbrabbelnd, durch den Gang, zündete sich umständlich eine Zigarette an und
fingerte an seinem Hosenlatz herum, bevor er sich dem Toiletteneingang näherte.
Dumont hatte genau dreißig Sekunden Zeit, um von der Bildfläche zu
verschwinden. Es gab keine Möglichkeit mehr, ungesehen die Treppen
hochzusteigen, daher drückte er sich in die Toilette, ehe sich der Betrunkene
um seine eigene Achse drehte, um ebenfalls den Weg dorthin einzuschlagen.
Noch bevor er sich dem Becken nähern konnte, registrierte sein umnebeltes
Bewusstsein, dass da noch jemand war. Er sah, dass sich eine Tür zu den
Toilettenkabinen schloss.
»Hallo, Bruder?«, lallte der Betrunkene. »Ich habe gar nicht gesehen, dass
du auch ...«
Das waren seine letzten Worte. Eine große schwammige Hand presste sich auf
seinen Mund eine zweite griff ihn am Kragen und zerrte ihn nach innen.
Minuten später verließ Dumont die Toilette und ging auf Zehenspitzen die
Treppenstufen hinauf. Durch die nicht völlig geschlossenen Tür konnte er einen
Blick in den Gastraum werfen. Lautes Lachen, laute Stimmen, und eine
dunkelgekleidete Gestalt mit einer weißen Schürze tauchte neben der Tür am
Ecktisch auf. Nicole Mercier – schön und verführerisch wie eh und je. Doch
Dumont sah sie mit anderen Augen.
Sein Gesicht zuckte, wie zahllose, winzige Schlangen kräuselte sich die
Oberfläche seiner Haut.
Nicole – er sehnte sich nach ihr. Aber da war wieder das andere, das ihn
zwang, ihn beherrschte. Zwei Seelen wohnten in seiner Brust.
Er stieg die Treppe zur Mansarde hinauf.
In der Gaststube ahnte niemand, welche tödliche Gefahr sich im Haus
eingenistet hatte.
●
Kommissar Lucell fuhr mit seinem Wagen am Waldrand entlang. Er befand sich
etwa auf der Höhe der Polizisten, die den Unbekannten jagten und schloss sich
den Verfolgern an, als der Zeitpunkt dafür günstig war.
Die Gruppe war weit auseinandergezogen. Die Männer hatten sich teilweise
bis außerhalb der Rufweite voneinander entfernt und standen nur noch über
Funksprechgeräte in Verbindung.
»Trupp zwei – hier Trupp zwei«, tönte es aus Maurice Lucells Funkgerät.
»Der Gesuchte ist etwa einhundertfünfzig Meter von uns entfernt aufgetaucht.
Ich glaube, er ist verletzt! Er scheint die Absicht zu haben, auf die andere
Seite des Waldes zu kommen.«
»Nicht aus den Augen lassen«, rief der Kommissar in das Funkgerät.
»Ich will ständig über jede Veränderung der Lage unterrichtet sein.« Er
trat das Gaspedal durch, und der Wagen raste über die nächtliche Straße. Es
regnete stärker, dadurch wurde die Sicht stark eingeschränkt. Maurice fluchte
leise vor sich hin. Er starrte ständig nach rechts und fuhr scharf am
Fahrbahnrand. Als er Kilometerstein 58 erreichte, wusste er, dass der große
Augenblick unmittelbar bevorstand. Durch Positionsmeldungen der am weitesten
vorgerückten Gruppe wusste er, dass sich der Gejagte in diesem Augenblick etwa
auf der Höhe des Kilometersteins 61 aufhalten musste.
»Er wird es nicht schaffen, diesmal sind wir schneller!«, stieß der
Kommissar laut hervor.
●
Dr. Alain Fermand drosselte die Geschwindigkeit. Für die schlechten
Sichtverhältnisse fuhr er zu schnell. Der Regen prasselte auf die Karosserie
und die Scheibenwischer schafften die Wasserflut nicht mehr, die sich über die
Fenster ergoss.
Der Arzt war dicht vor dem Ziel.
Die Landhäuser befanden sich an der äußersten Peripherie von Montcornet. Fermand
und Lucell waren Nachbarn. Die Absturzstelle lag von der Kolonie etwa vier
Kilometer entfernt, und er beabsichtigte, direkt dorthin zu fahren.
Ein großer Schatten huschte auf einmal über die Straße. Ein Mensch!
Die Scheinwerfer erfassten eine große Gestalt, ein abstoßend hässliches
Gesicht und große, in panikartiger Abwehr vorgestreckte Hände ...
Alain Fermand riss den Wagen herum, sein Fuß trat hart auf die Bremse. Er
fühlte noch den dumpfen Schlag, als ob etwas Großes, Weiches gegen das rechte
Schutzblech falle. Dann folgte ein Brechen und Bersten, und das Auto überschlug
sich dreimal. Glassplitter segelten durch die Luft. Der Wagen rutschte schräg
über die Fahrbahn und krachte mit dem rechten, eingedrückten Kotflügel gegen
einen Baumstamm.
Alain lag über das Lenkrad gebeugt. Seine Hände bluteten – ebenso wie sein
Gesicht – aus zahlreichen Schnittwunden. Langsam lehnte er sich zurück und
hatte das Gefühl, dass sämtliche Knochen in seinem Körper gebrochen seien.
Benommen tastete er
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