04 Im Bann der Nacht
ausgesucht, und ich nehme an, das ist so etwas wie eine Ehefrau.«
Gefährtin. Ein eigenartiger Schauder überkam ihn. Aber Cezar war entschlossen, ihn nicht zu beachten. Vampire waren die ungekrönten Könige, wenn es darum ging, Dinge zu ignorieren, die sie nicht bemerken wollten. »Es ist weitaus mehr als nur eine Ehefrau«, erklärte er leise. »Aber ja,Vampire suchen sich ihre Gefährtinnen oftmals bei anderen Dämonen. Vipers Gefährtin Shay ist eine Shalott, eine der wenigen Dämonenarten, die imstande sind,Vampire zu besiegen, und Dante hat sich sogar mit einer Göttin verbunden.«
»Mit einer Göttin?« Anna lachte ungläubig auf. »Das muss ja wohl ein Scherz sein!«
»Überhaupt nicht.« Cezar zog an einer ihrer honigfarbenen Strähnen. »Abby ist ein Kelch, der in sich einen Geist trägt, welcher von vielen verehrt und von noch mehr gefürchtet wird.«
»Verehrst du sie auch?«
»Nein. Vampire verehren den Phönix nicht, auch wenn ich klug genug bin, ihn nicht zu verärgern. Dante ist sehr tapfer, da er mit einer Frau zusammenlebt, die eine solche Macht in sich trägt.« Ein verschmitztes Lächeln bildete sich auf Cezars Lippen, als er in Annas Gesicht forschte. »Natürlich würden viele Leute mich ebenfalls als tapfer bezeichnen, da ich es wage, dir so nahe zu sein.«
Sie schnaubte leicht. »Ich bin weit davon entfernt, eine Göttin zu sein.«
Cezar verbarg nur schwer sein Lächeln. Als Mitglied der Kommission würde Anna von Vampiren und Dämonen auf der Welt verehrt werden. Ihr Wort würde ganz buchstäblich Gesetz sein. »Vielleicht nicht so weit, wie du glaubst«, murmelte er.
Als sie ihn verwirrt ansah, drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen und glitt widerstrebend vom Bett. »So sehr ich es auch hasse, dieses herrliche Zwischenspiel zu beenden, dein Essen wird bald hier sein.Wir müssen unsere Pläne für die Nacht machen.«
»Pläne?« Anna, die mitten in dem zerwühlten Bett saß, griff nach dem Frotteemantel und streifte ihn über ihren nackten Körper.
Cezar hätte ihn ihr am liebsten gleich wieder ausgezogen. Doch obgleich es ihm eine große Sünde schien, eine solche Schönheit zu bedecken, wollte er es nicht riskieren,
dass das Essenstablett eintraf, während Anna noch unbekleidet war. Viper war möglicherweise nicht sehr erfreut, wenn Cezar gezwungen war, einen seiner Bediensteten zu töten.
»Du hast Pläne?«
»Die Arbeit daran ist noch im Gange.«
»Aha.« Sie glitt vom Bett und baute sich direkt vor ihm auf. »Bedeutet das, dass du eigentlich keinen blassen Schimmer hast?«
Er tippte ihr leicht auf die Nasenspitze. »Zieh dich an, kleine Spitzmaus. Ich muss mit Viper sprechen.«
Anna schloss sich im Badezimmer ein und gönnte sich eine kurze Dusche, bevor sie ihre einzigen noch sauberen Jeans und ein dickes Sweatshirt anzog. Nach ihrem jüngsten Vernichtungsfeldzug in der Parkgarage spürte sie keinerlei Bedürfnis, mit ihren Kräften zu experimentieren. Nicht einmal, um die Luft zu erwärmen, die sie umgab.
Sie fasste ihr Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann putzte sie sich die Zähne und kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo sie ein Tablett mit Eiern, Toast, Schinken und einem Honigmuffin vorfand. Auf den ersten Blick schien es genug Essen zu sein, um eine ganze Armee satt zu bekommen, aber sobald sie zu essen angefangen hatte, stellte sie fest, dass sie nicht in der Lage war, damit aufzuhören.
Es konnte daran liegen, dass ihre Mahlzeiten dünn gesät gewesen waren, seit sie in Chicago angekommen war, oder daran, dass die Nutzung ihrer Kräfte ihren Appetit angeregt hatte, oder vielleicht lag es auch einfach daran, dass Vipers Koch einfach ausgezeichnet war. Was auch immer zutraf, sie machte kurzen Prozess mit den Essensbergen
und stellte das Tablett nicht beiseite, bevor es leer war. Erst dann goss sie sich eine Tasse Kaffee ein und wartete darauf, dass das Koffein ihr Blut in Wallung brachte.
Danach ging sie auf die Fenster zu und zog die schweren Vorhänge zur Seite, um zuzusehen, wie die Sonne allmählich unterging. Drei Stockwerke unter ihr lag die Straße, schmal und schon in Dunkelheit gehüllt. Die Nacht brach über Chicago herein, und bald musste sie entscheiden, wie es weitergehen sollte. Und das war wirklich eine verdammt schwierige Frage.
Bislang hatte sie sich für eine intelligente und einfallsreiche Frau gehalten. Schließlich hatte sie es geschafft, zwei Jahrhunderte vollkommen allein zu überleben. Das war schließlich kein
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