04 - Mein ist die Rache
sich nicht leisten, Sie der Polizei auszuliefern, ohne sich selbst zu schaden. Sie waren durch das Oncomet-Geschäft aneinander gebunden.«
»Das alles ist reine Spekulation«, sagte Trenarrow. »Nach allem, was Sie bisher vorgebracht haben, hatte ich mehr Grund, Mick am Leben zu erhalten als ihn zu töten. Wenn er mir Patienten lieferte, was hatte ich dann von seinem Tod?«
»Sie hatten nicht die Absicht, ihn zu töten. Sie schlugen im Zorn nach ihm. Ihnen ging es darum, Menschenleben zu retten, Mick jedoch ging es nur darum, Kasse zu machen. Und - diese Einstellung reizte Sie so sehr, daß Sie den Kopf verloren.«
»Es gibt keinerlei Beweise. Das wissen Sie. Nicht für einen Mord.«
»Sie haben die Fotos vergessen«, entgegnete St. James.
Trenarrow sah ihn unverwandt an, ohne eine Miene zu verziehen.
»Im allgemeinen Aufruhr am Samstag abend, als John Penellin verhaftet wurde, gingen Sie in Deborahs Zimmer hinauf und warfen von dort den Kamerakoffer aus dem Fenster.«
»Aber wenn das stimmt«, warf Lynley ein und machte sich damit einen Moment zu Trenarrows Anwalt, »warum hat er den Koffer nicht in die Bucht gebracht? Wenn er dort das Messer verschwinden ließ, warum dann nicht auch gleich den Fotokoffer?«
»Weil das Risiko, daß er mit dem Koffer in der Hand irgendwo im Garten oder im Park gesehen worden wäre, viel zu groß war. Ich verstehe nicht, wieso mir das nicht von Anfang an klar war. Das Messer konnte er leicht verstecken, Tommy. Hätte jemand ihn im Park gesehen, so hätte er behaupten können, frische Luft zu schnappen. Das wäre glaubhaft gewesen. Die Leute in Howenstow waren es gewöhnt, ihn auf dem Gutsgelände zu sehen. Aber mit dem Kamerakoffer? Nein. Ich vermute, er brachte ihn später in der Nacht anderswohin - im Wagen vielleicht. An einen Ort, den er für sicher hielt.«
Lynley hörte sich St. James' Ausführungen an und konnte der Wahrheit nicht länger ausweichen. Sie hatten alle zusammen beim Abendessen gesessen. Sie hatten alle das Gespräch gehört. Sie hatten alle gelacht über die absurde Vorstellung von Touristenführungen durch die alten Bergwerke. Er sprach den Namen aus, zwei Worte nur, die Wahrheit, wie er sie erkannt hatte. »Wheal Maen.«
St. James sah ihn verblüfft an.
»Am Samstag abend beim Essen. Tante Augusta war empört über den Plan, Wheal Maen zu sperren.«
»Das ist nichts als Vermutung«, fuhr Trenarrow scharf dazwischen. »Und völlig abwegig. Über die Oncomet-Verbindung hinaus haben Sie nichts in der Hand außer diesen wahnsinnigen Beschuldigungen, die Sie sich jetzt hier aus den Fingern saugen. Und wenn einmal bekannt wird, wie wir seit Jahren zueinander stehen, Tommy, wer wird diese Beschuldigungen dann glauben? Immer vorausgesetzt, Sie wollen unsere langjährige Geschichte wirklich an die große Glocke hängen.«
»Ja, darauf läuft es letzten Endes hinaus, nicht wahr?« sagte Lynley. »Es beginnt und endet stets mit meiner Mutter.«
Einen Moment lang erlaubte er sich, über das Gebot von Recht und Ordnung hinaus dem Skandal ins Auge zu sehen, der folgen würde. Trenarrows illegale Klinik, die Verabreichung von Oncomet und die überhöhten Preise, die die Patienten zweifellos für die Behandlung bezahlten, hätte er übersehen können. Er hätte das alles übersehen und seine Mutter den Rest ihres Lebens in Unwissenheit lassen können. Aber Mord war etwas anderes. Mord mußte gesühnt werden. Das konnte er nicht ignorieren.
»Er hat recht, St. James«, sagte Lynley niedergeschlagen.
»Es ist Spekulation. Selbst wenn wir die Apparate aus der Grube bergen, wird der Film verdorben sein. Der Hauptschacht steht seit Jahren unter Wasser.«
St. James schüttelte den Kopf. »Das ist das einzige, das Dr. Trenarrow nicht wußte. Der Film ist nicht mehr im Apparat. Deborah hatte ihn herausgenommen und mir gegeben.«
Lynley hörte das Zischen von Trenarrows Atem, als dieser hastig nach Luft schnappte. St. James sprach weiter.
»Und der vernichtende Beweis ist darauf zu sehen, nicht wahr?« fragte St. James. »Ihre silberne Pillendose unter Mick Cambreys Oberschenkel. Es wird Ihnen vielleicht gelingen, alles andere mit plausibel klingenden Erklärungen aus der Welt zu schaffen, aber immer wird die Tatsache bestehen bleiben, daß auf der Fotografie des Toten Ihre Pillendose zu sehen ist. Dieselbe, die Sie vor ein paar Minuten erst herausnahmen.«
Trenarrow starrte zum Fenster hinaus auf den dunstigen Lichtschimmer des Hafens. »Das beweist gar
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