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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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verlangen könntest, Simon.« Sie lachte, wurde dann aber plötzlich ernst und nachdenklich.
    »Das ist doch keine Klassengeschichte, oder, Simon? Ich meine, wenn man sich Peter und Sasha ansieht, kann man sich schwer vorstellen, daß Standesunterschiede für die Lynleys eine Rolle spielen.«
    Während sie sprach, fiel St. James ein, daß Sidney ja von allem, was seit ihrer Abreise aus Howenstow an jenem Sonntag morgen geschehen war, nichts wußte. Er zog die unterste Schublade seines Arbeitstischs auf und entnahm ihr die Parfumflasche.
    »Die hattest du verlegt«, sagte er.
    Sie nahm sie erfreut. »Wo hast du sie gefunden? Sag jetzt bloß nicht, sie lag in Howenstow im Schrank. Das kann ich vielleicht bei Schuhen akzeptieren, aber doch nicht bei so was.«
    »Justin hat sie aus deinem Zimmer mitgenommen, Sid.«
    Ihr Lächeln erlosch. Sie versuchte, es festzuhalten, aber ihre Lippen zitterten dabei vor Anstrengung. Alle Lebhaftigkeit wich aus ihrem Gesicht. Ihr Körper schien zu schrumpfen. Der jähe Zusammenbruch verriet ihm, wie dünn die Fassade der Heiterkeit noch immer war.
    »Justin?« fragte sie. »Aber warum denn?«
    Es gab keine Möglichkeit, es ihr schonend beizubringen. Er wußte, daß er ihr neuen Schmerz zufügen mußte. Doch ihr die Wahrheit zu sagen, schien ihm die einzige Möglichkeit, ihr zu helfen.
    »Er wollte dir einen Mord in die Schuhe schieben«, sagte er.
    »Das ist ja absurd.«
    »Er wollte Peter Lynley töten. Statt dessen tötete er Sasha Nifford.«
    »Ich verstehe gar nichts.« Sie rollte die Parfumflasche unablässig in ihrer Hand hin und her. Sie senkte den Kopf. Sie strich sich über die Wangen.
    »In der Flasche war eine Droge, die Sasha für Heroin hielt.« Bei diesen Worten blickte sie auf. St. James sah den Ausdruck auf ihrem Gesicht. Eine Droge, um zu töten, das machte die Wahrheit unausweichlich. »Es tut mir leid, Liebes. Peter hat Justin nicht getötet, Sid. Er war gar nicht in Howenstow, als Justin starb.«
    »Aber warum dann?«
    »Peter hatte etwas mitangehört, was er nicht hätte hören dürfen. Er hätte es gegen Justin ausspielen können. Nach der Ermordung Mick Cambreys wurde es doppelt gefährlich. Justin bekam Angst. Er wußte, daß Peter fast alles getan hätte, um sich Geld und Kokain zu beschaffen. Darum mußte er ihn loswerden.«
    Gemeinsam erzählten St. James und Helen ihr die ganze Geschichte. Von Islington, Oncomet, Trenarrow, Cambrey. Von der Krebsklinik. Von dem Ersatzmittel, das nichts taugte. Von dem Streit darüber, der mit Micks Tod endete.
    »Justin Brooke war in Gefahr«, sagte St. James. »Er unternahm Schritte, um sich aus dieser Gefahr zu befreien.«
    »Und ich?« fragte sie. »Es war doch meine Flasche. Wußte er denn nicht, daß man glauben würde, ich wäre in diese Sache verwickelt?« Immer noch hielt sie die Flasche in der Hand, so fest, daß ihre Finger weiß anliefen.
    »Der Tag unten in der Bucht, Sidney«, sagte Helen. »Das war eine Demütigung für ihn.«
    »Er wollte dich strafen«, fügte St. James hinzu.
    Sidneys Lippen bewegten sich kaum, als sie sagte: »Er hat mich geliebt. Ich weiß es. Er hat mich geliebt.«
    St. James hörte die tiefen Selbstzweifel in ihren Worten.
    »Was Justin Brooke war«, sagte Helen, »sagt nichts darüber aus, wer du bist, Sidney. Deine Persönlichkeit ist nicht durch ihn definiert. Oder durch das, was er empfand. Oder auch nicht empfand.«
    Sidney schluchzte auf. St. James ging zu ihr. »Es tut mir so leid, Liebes.« Er nahm sie fest in den Arm. »Es wäre mir lieber gewesen, du hättest es nie erfahren. Aber ich kann dich nicht belügen, Sidney. Es tut mir nicht leid, daß er tot ist.«
    Sie hustete und sah zu ihm auf, lächelte unter Tränen.
    »Lieber Himmel, bin ich hungrig«, sagte sie. »Wollen wir essen gehen?«
    Vor dem Haus in der Eaton Terrace knallte Helen die Tür ihres Mini zu. Sie tat es mehr, um sich selbst Mut zu machen, als um sicherzugehen, daß die Tür ordentlich geschlossen war. Sie blickte an der dunklen Fassade von Lynleys Haus hinauf, sah dann im Licht einer Straßenlampe auf ihre Armbanduhr. Es war fast elf, wahrhaftig nicht die richtige Zeit für einen Überraschungsbesuch. Aber gerade in diesem Umstand sah sie einen Vorteil, auf den sie keinesfalls verzichten wollte.
    Seit zwei Wochen versuchte sie, ihn zu erreichen, und hatte sich nichts als Zurückweisungen eingehandelt. Beruflich unterwegs, leider nicht zu Hause, in einer Besprechung, bei einem Gerichtstermin. Die Botschaft war

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