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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hinunter. Dann sagte er, offenbar nicht länger bereit, Theater zu spielen: »Sei mir nicht böse, Helen. Ich wollte dich zurückrufen, wirklich. Aber ich hab's einfach nicht geschafft. Reine Feigheit wahrscheinlich.«
    Ihr Zorn schmolz augenblicklich dahin. »Das ist doch kein Leben, Tommy. Eingemauert in deiner Bibliothek. Total incommunicado im Büro. Ich kann das nicht mit ansehen.«
    Er antwortete nicht gleich. Sie hörte nur seinen Atem, der flach und unregelmäßig war.
    Dann sagte er: »Ich kann nicht aufhören, an sie zu denken. Also arbeite ich. Wie ein Verrückter. Und wenn ich zufällig einmal nicht arbeite, bringe ich meine Zeit damit zu, mir zu sagen, daß ich mit der Zeit schon darüber hinwegkommen werde. In ein paar Wochen oder ein paar Monaten.« Er lachte brüchig. »Es fällt mir nur ein bißchen schwer, es zu glauben.«
    »Das versteh' ich.«
    »Natürlich. Wer könnte es besser verstehen als du.«
    »Warum hast du mich dann nicht angerufen?«
    Rastlos ging er durch das Zimmer zum Kamin. Da kein Feuer brannte, in dessen Flammen er hätte hineinstarren können, richtete er seine Aufmerksamkeit auf mehrere Meißner Porzellanteller, die auf dem Kaminsims zur Schau gestellt waren. Er nahm einen aus seinem Ständer und drehte ihn in den Händen. Helen wollte ihn ermahnen, vorsichtig zu sein, den Teller nicht so fest zu packen, da er sonst entzweigehen könne, aber sie sagte nichts. Er stellte den Teller wieder an seinen Platz. Sie wiederholte ihre Frage.
    »Du weißt, daß ich gern mit dir sprechen wollte. Warum hast du mich nicht angerufen?«
    »Ich konnte einfach nicht. Ich komme mir vor wie ein Idiot. Ich müßte viel stärker sein. Das dürfte mir nicht so zusetzen. Ich müßte es einfach abschütteln und weitermachen können.«
    »Weitermachen?« Ihr Zorn kehrte mit einem Schwall zurück. Sie hatte diese Einstellung, daß man stark sein müsse, immer verachtet; als seien Männer durch Drill und durch über Generationen geübte eiserne Beherrschung zu einem Leben des Nicht-Fühlens verdammt. »Willst du mir allen Ernstes erzählen, du hättest kein Recht auf deinen Schmerz?«
    »Mit Schmerz hat das nichts zu tun. Ich versuche lediglich, den Weg zu dem Mann zurückzufinden, der ich vor drei Jahren war. Vor Deborah. Wenn ich ihn wiederfinden kann, komme ich wieder klar.«
    »Du warst doch damals kein anderer.«
    »Doch. Vor drei Jahren hätte ich diese Geschichte nicht so schwer genommen. Was waren denn Frauen damals für mich? Bettgefährtinnen. Mehr nicht.«
    »Ach, und so möchtest du gern sein? Ein munterer Schmetterling, der von Abenteuer zu Abenteuer flattert und sich nicht berühren läßt? Ist es das, was dir vorschwebt?«
    »Es ist leichter.«
    »Natürlich ist es leicht. Diese Art der Unverbindlichkeit ist immer leicht. Man steigt miteinander ins Bett und trennt sich ohne Schmerz mit einem lockeren Abschiedswort. Und wenn man zufällig eines Morgens jemanden in seinem Bett finden sollte, an dessen Namen man sich gar nicht erinnern kann, macht das auch nichts, nicht wahr? Das gehört zum Spiel.«
    »Keine dieser Beziehungen damals hat mir etwas bedeutet. Für mich stand nie etwas auf dem Spiel.«
    »Kann sein, daß du es gern so sehen möchtest, Tommy, aber so war es bestimmt nicht. Denn wenn das, was du sagst, wahr ist, wenn das ganze Leben nur darin besteht, eine Frau nach der anderen zu verführen, warum hast du's dann nie bei mir versucht?«
    Er ging zum Tisch zurück und schenkte sich noch einen Whisky ein. »Ich weiß es nicht.«
    »Natürlich weißt du es. Also, sag es mir.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich wäre doch eine tolle Eroberung gewesen. Von Simon abgewiesen, mein Leben in Trümmern. Das letzte, was ich wollte, war eine ernste Beziehung zu einem anderen Mann. Wie konntest du einer solchen Herausforderung widerstehen? Das wäre doch für dich eine Riesenchance gewesen.«
    Er stellte das Glas auf den Tisch und drehte es zwischen den Fingern. Sie beobachtete sein Profil und sah, wie dünn die Fassade der Selbstbeherrschung war.
    »Du warst wahrscheinlich etwas anderes«, sagte er.
    »Wieso? Ich hatte doch die richtige Ausstattung zu bieten. Ich war genau wie alle anderen. Ein hübscher Körper und nicht gerade frigide.«
    »Ach, hör auf. Das ist ja lächerlich.«
    »Eine Frau. Leicht zu verführen, besonders von einem Experten. Aber bei mir hast du es nie versucht. Nicht ein einziges Mal. Solche Zurückhaltung ist verwunderlich. Und ich hatte doch einiges zu bieten, nicht

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