Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Impulsivität ihm fremd war, hatte Cotter es geschafft, die eigenen Ansichten und Denkweisen in Frage zu stellen, um seine Tochter verstehen zu können. Wenn jetzt echte Nähe zwischen ihnen bestand, so war sie den langen Jahren der Auseinandersetzung zu danken.
    »Sie und Tommy sind einander sehr fremd, nicht wahr?« sagte Deborah geradeheraus.
    Daze Asherton lächelte, aber sie sah sehr müde aus. Einen Augenblick dachte Deborah, die innere Erschöpfung hätte vielleicht ihre Abwehr so weit geschwächt, daß sie etwas über die Uneinigkeit zwischen sich und ihrem Sohn preisgeben würde. Aber sie sagte nur: »Hat Tommy Ihnen schon von dem Theaterstück heute abend erzählt? Shakespeare unter Sternen. In Nanrunnel.« Aus dem Korridor drangen Stimmen zu ihnen. »Aber lassen Sie es sich von ihm selbst erzählen.«
    Damit wandte sie sich dem Fenster zu, durch das eine leichte Brise hereinwehte, die den Salzgeschmack des Meeres ins Zimmer trug.
    »Wenn wir uns ausreichend stärken, sollten wir den Abend einigermaßen gefaßt überstehen können.« Lynley trat lachend ins Zimmer. Er ging direkt auf den Tisch mit den Getränken zu und schenkte aus einer der Karaffen, die darauf standen, drei Sherrys ein. Ein Glas gab er Helen, das zweite St. James und hob dann sein eigenes zum Mund, ehe er Deborah und seine Mutter am anderen Ende des Raumes entdeckte.
    »Hast du Deborah schon über unsere Aufgaben als Theseus und Hippolyt heute abend aufgeklärt?« sagte er.
    Daze Asherton hob flüchtig die Hand. Die Geste wirkte müde wie ihr Lächeln. »Ich wollte das lieber dir überlassen.«
    Lynley schenkte sich noch einen Sherry ein. »Gut. Ja. Also«
    - dies lächelnd zu Deborah - »wir haben eine Pflicht zu erfüllen, Darling. Ich würde dir ja gern sagen, daß wir später kommen und in der Pause wieder gehen werden, aber Mr. Sweeney ist ein alter Freund der Familie. Er wäre zutiefst gekränkt, wenn wir uns nicht die ganze Inszenierung ansehen würden.«
    »So schauderhaft sie sein wird«, warf Helen ein.
    »Ich könnte doch fotografieren«, schlug Deborah vor.
    »Nach der Vorstellung, meine ich. Wenn Mr. Sweeney soviel Wert auf deine Anwesenheit legt, würde ihn das doch sicher freuen.«
    »Tommy mit dem Ensemble«, sagte Helen. »Mr. Sweeney wird platzen vor Stolz. Das ist eine glänzende Idee! Ich hab' doch immer gesagt, du gehörst auf die Bühne, stimmt's, Tommy?«
    Lynley lachte, erwiderte etwas, Helen plauderte weiter. St. James nahm sein Glas und ging langsam hinüber zu zwei großen chinesischen Vasen, die rechts und links der Tür zu der langen elisabethanischen Galerie östlich vom Salon standen. Er strich mit den Fingern über das glatte Porzellan und zeichnete das kunstvolle Muster der Glastür nach. Zweimal führte er sein Glas zum Mund, aber Deborah sah, daß er nicht trank.
    Sie hatte nach den Ereignissen des Nachmittags nichts anderes erwartet. Wenn es ihm wirklich half, das Gewesene zu vergessen, indem er seine Umwelt ignorierte, so hätte sie selbst es ihm gern nachgetan, obwohl sie wußte, daß sie so bald nicht vergessen konnte.
    Es war schlimm genug gewesen, Brooke von Sidney wegzureißen und zu wissen, daß sein Verhalten allein von blinder Gewalt und dem Willen diktiert wurde, sie brutal zu unterwerfen. Noch schlimmer war es gewesen, die hysterisch schluchzende Sidney den Felsweg hinaufzuschleppen. Ihr Gesicht blutete und zeigte die ersten Ansätze von Schwellungen. Schluchzend und schreiend stolperte sie neben Deborah bergan. Dreimal machte sie halt und war nicht von der Stelle zu bewegen vor Weinen. Es war ein Alptraum gewesen. Und oben stand Simon an einen Baum gelehnt und wartete auf sie.
    Deborah hatte zu ihm laufen wollen. Warum, wozu, hätte sie nicht sagen können. Das einzige, was sie in diesem Moment dachte, war, daß sie ihn jetzt nicht allein lassen konnte. Aber Helen hielt sie fest, als sie den ersten Schritt in seine Richtung machte, und stieß sie mit Sidney auf den Pfad zum Haus.
    Auch dieser Teil des Wegs ein Alptraum: das unerwartete Zusammentreffen mit Mark Penellin im Wäldchen; ihre konfusen Erklärungen über Sidneys Aussehen und Zustand; die wachsende Angst, gesehen zu werden, als sie sich dem Haus näherten; das vorsichtige Vorbeihuschen an der Waffenkammer und den alten Gesinderäumen; die Suche nach der Nordwesttreppe, von der Helen behauptet hatte, sie befände sich gleich neben der Anrichte; und die ganze Zeit die Angst, daß sie Tommy in die Arme laufen würden.
    Es war ein

Weitere Kostenlose Bücher