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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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einziger Horror gewesen, und als Justin Brooke salopp für den Abend gekleidet in den Salon trat, als wäre der Nachmittag nie gewesen, kostete es Deborah ihre ganze Selbstbeherrschung, sich nicht schreiend auf den Mann zu stürzen.

8
    »Du lieber Gott, was ist Ihnen denn passiert?« Lynleys Stimme klang so überrascht, daß St. James sich herumdrehte und gerade noch sah, wie Justin Brooke mit nonchalanter Geste das Glas Sherry entgegennahm, das Lynley ihm reichte.
    Das kann nicht wahr sein, dachte St. James. Dieser Bursche hatte tatsächlich die Stirn, den Abend mit ihnen zu verbringen, zweifellos im sicheren Vertrauen darauf, daß sie alle viel zu wohlerzogen waren, um auch nur ein einziges Wort über den Nachmittag zu verlieren, solange Lynley und seine Mutter sich im Raum befanden.
    »Ich bin im Wald gestürzt.« Bei seinen Worten blickte Brooke jeden einzelnen von ihnen an, als wolle er sie herausfordern, ihn einen Lügner zu nennen.
    St. James preßte die Lippen aufeinander, um die Worte zurückzuhalten, die ihm auf der Zunge lagen. Mit primitiver Schadenfreude stellte er fest, daß es seiner Schwester gelungen war, Brookes Gesicht beträchtlich zu entstellen. Auf den Wangen hatte er Kratzer, am Unterkiefer eine Beule, die Unterlippe war angeschwollen.
    »Sie sind gestürzt?« Lynleys Aufmerksamkeit richtete sich auf die entzündeten Bißmale an Brookes Hals, die der Kragen seines Hemdes kaum verbarg. Er warf einen scharfen Blick in die Runde. »Wo ist Sidney?« fragte er.
    Keiner antwortete. Ein Glas schlug klirrend auf die Tischplatte. Jemand hüstelte. Draußen, in einiger Entfernung vom Haus, heulte ein Motor auf. Im Foyer erklangen Schritte, und Cotter trat in den Salon. Knapp hinter der Tür blieb er stehen, als hätte er blitzschnell die Stimmung wahrgenommen und zögere, sich ihr auszusetzen. Wie im Reflex flog sein Blick zu St. James, dessen Ausdruck er nicht zu lesen verstand. Er verharrte, wo er stand.
    »Wo ist Sidney?« wiederholte Lynley.
    Daze Asherton stand aus der Fensternische auf. »Ist etwas ...«
    Deborah sprach hastig: »Ich war vor einer halben Stunde bei ihr, Tommy.« Ihr Gesicht wurde rot. »Sie war heute nachmittag zu lange in der Sonne und dachte ... sie möchte gern ... sie wollte ein bißchen Ruhe haben. Ja. Sie sagte, sie braucht ein bißchen Ruhe. Sie bat mich, sie zu entschuldigen und - du kennst ja Sidney. Sie ist immer so voller Tatendrang, ich meine, so unternehmungslustig, daß sie ... Es wundert mich nicht, daß sie erschöpft ist.« Ihre Hand wanderte zu ihrem Mund, als wolle sie ihn verdecken, um zu verhindern, daß die Lüge noch offenkundiger wurde.
    St. James mußte wider Willen lächeln. Er sah Deborahs Vater an, der mit liebevoller Nachsicht nur sachte den Kopf schüttelte. Sie wußten es beide: Helen hätte ein solches Manöver vielleicht erfolgreich durchziehen können. Unbefangenes Geflunker, um die Situation zu retten, lag mehr auf ihrer Linie. Deborah jedoch besaß für derartige Finessen überhaupt kein Talent. Peter Lynleys Erscheinen ersparte es den anderen, Deborahs Geschichte ausschmücken zu müssen. Barfuß kam er herein, einzige Konzession an den Brauch, sich zum Abendessen umzuziehen, ein frisches Hemd. Sasha folgte ihm in einem graugrünen Kleid, das sie noch fahler erscheinen ließ. Daze Asherton ging den beiden entgegen, als wolle sie mit ihnen sprechen oder vielleicht einen befürchteten Konflikt abbiegen.
    Aber Peter schien seine Mutter gar nicht zu sehen. Er schien überhaupt niemanden zu sehen. Er wischte sich einmal kurz die Nase mit dem Handrücken und ging direkt zum Tisch mit den Getränken. Dort goß er sich einen Whisky ein, den er mit einem Zug hinunterspülte, schenkte nach und reichte dann auch Sasha ein Glas.
    Als isoliertes kleines Gespann blieben sie abseits in Reichweite der Getränke stehen. Sasha trank einen Schluck aus ihrem Glas, schob Peter die Hand unter das lose Hemd und zog ihn an sich.
    »Hm, gut, Sasha«, murmelte Peter und küßte sie.
    Lynley stellte sein Glas nieder. Aber ehe er eine Bemerkung machen konnte, sagte Daze: »Ich habe Nancy Cambrey heute nachmittag hier gesehen, Tommy. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie. Sie ist schrecklich dünn geworden. Hast du sie zufällig gesehen?«
    »Ja.« Lynley beobachtete seinen Bruder und Sasha. Sein Gesicht war unergründlich.
    »Ich habe den Eindruck, es geht ihr nicht gut. Vermutlich hat es mit Mick zu tun. Er arbeitet an einer Story und war in den letzten Monaten sehr viel

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