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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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und hätte sich nicht die Zeit genommen, es zu kämmen.
    Er trat zurück, um sie einzulassen. Das Büro war ein großer Raum, an den sich auf einer Seite mehrere kleine Räume anschlossen, während auf der anderen eine Reihe von vier schmalen Fenstern war, durch die man auf die Straße sah. Außer Harry Cambrey war niemand im Büro, merkwürdig, insbesondere bei einer Zeitungsredaktion. Aber wenigstens einer der Gründe für die Abwesenheit der Mitarbeiter offenbarte sich in dem Durcheinander, das in dem großen Raum herrschte. Papiere, Hefte, Ordner häuften sich auf allen verfügbaren Unterlagen. Harry Cambrey suchte etwas.
    Die Schubladen der militärgrünen Aktenschränke standen offen, teilweise geleert; ein Stapel Disketten lag neben einem eingeschalteten Drucker; auf einem LayoutTisch war die neue Ausgabe der Zeitung beiseite geschoben worden, um Haufen von Fotografien Platz zu machen, und sämtliche Schubladen der fünf Schreibtische im Raum waren herausgenommen. In der Luft hing ein Geruch nach Staub und altem Papier.
    »Was wollen Sie?« fragte Harry Cambrey. Er rauchte eine Zigarette, die er nur aus dem Mund nahm, um zu husten oder sich eine neue anzuzünden. Die Wirkung dieser Gewohnheit auf seine Gesundheit schien ihn nicht zu kümmern.
    »Sie sind allein hier?« fragte St. James, während er und Helen sich einen Weg durch das Chaos bahnten.
    »Ich hab' den anderen frei gegeben.« Cambrey inspizierte Helen von Kopf bis Fuß. »Also, was wollen Sie?«
    »Nancy hat uns gebeten, uns umzuhören. Sie hofft, wir können herausbekommen, was hinter Micks Ermordung steckt.«
    »Sie sollen helfen? Sie beide?« Er versuchte gar nicht, seine Geringschätzung zu verbergen, während sein Blick über St. James' geschientes Bein und Helens elegantes Sommerkleid glitt.
    »Die Jagd nach Nachrichten und Sensationen kann ein gefährliches Geschäft sein, ist es nicht so, Mr. Cambrey?« bemerkte Helen vom Fenster her. »Wenn Ihr Sohn wegen einer Story ermordet wurde, an der er gearbeitet hat, was spielt es dann für eine Rolle, wer seinen Mörder zur Strecke bringt? Die Hauptsache ist doch, er wird gefaßt.«
    Bei ihren Worten sank Harry Cambreys künstliche Großspurigkeit in sich zusammen, und er zeigte sich als das, was er war: ein unglücklicher alter Mann, der auf grausame Weise seinen Sohn verloren hatte.
    »Er war an einer Story dran«, sagte er. Die Arme hingen ihm schlaff und leblos an den Seiten herab. »Ich weiß es. Ich fühl' es. Seit ich's gehört hab', bin ich hier und such' nach seinen Aufzeichnungen.«
    »Und Sie haben bisher nichts gefunden?« fragte St. James.
    »Ich hab' ja kaum Anhaltspunkte. Ich versuch' mich zu erinnern, was er gesagt und getan hat. Eine Nanrunnel-Story ist es nicht. Kann's nicht sein. Aber das ist auch schon alles, was ich weiß.«
    »Da sind Sie sicher?«
    »Klar. Da hätt' er die letzten Monate nicht soviel rumzureisen brauchen, wenn sich's um was in Nanrunnel gedreht hätte. Er war ja dauernd unterwegs, hat da eine Spur verfolgt, dort recherchiert, hier jemanden befragt und da wieder jemand anderen gesucht. Nein, mit dem Dorf hatte das nichts zu tun. Ausgeschlossen.« Er schüttelte den Kopf. »Die Story hätte unsere Zeitung gemacht, wenn wir die erst mal gedruckt hätten. Das weiß ich.«
    »Wohin ist er gereist?« »Nach London.«
    »Aber er hat keinerlei Aufzeichnungen hinterlassen? Ist das nicht merkwürdig?«
    »Aufzeichnungen sind da. Genug. Hier. Sehen Sie selbst.«
    Cambrey wies mit ausholender Geste auf den Wust von Papieren. »Aber ich hab' nichts darunter gefunden, von dem ich mir denken könnte, daß es lebensgefährlich war. Reporter werden nicht umgebracht, weil sie den örtlichen Abgeordneten interviewen oder bettlägrige Invaliden oder die Bauern im Norden. Journalisten werden umgebracht, weil sie Informationen haben, die tödlich sind. Und so was hat Mick nicht hier.«
    »Sie haben überhaupt nichts Ungewöhnliches in dem vielen Material hier gefunden?«
    Cambrey ließ seine Zigarette zu Boden fallen und trat sie aus. Er massierte sich den linken Arm und blickte unwillkürlich zu einem der Schreibtische hinüber. St. James nahm den Blick als Antwort.
    »Sie haben doch etwas gefunden.«
    »Ich weiß nicht. Sie können es sich ja mal ansehen. Ich werd' nicht klug draus.«
    Cambrey ging zu dem Schreibtisch. Unter dem Telefon zog er einen Zettel hervor, den er St. James reichte. »War ganz hinten in der Schublade«, sagte er.
    Das dünne Papier war voller Fettflecken,

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