04 Verhaengnisvolles Schweigen
nie weiter westlich als Blackpool. Aber auf jeden Fall engt das die Angelegenheit ganz schön ein, würde ich sagen.«
»Das tut es«, stimmte Banks ihm zu. »Aber es sagt uns noch nicht, wer er war.«
»Ich habe mich an das Kanadische Hochkommissariat gewendet und den Kerl dort gebeten, nachzuprüfen, ob jemand aus Toronto hier kürzlich als vermisst gemeldet wurde, aber Fehlanzeige.«
»Noch zu früh, nehme ich an. Wenn er aus Toronto ist, dann wird ihn dort noch jeder im Urlaub vermuten.«
»Ja, aber das wird nicht ewig dauern.«
»Wir haben aber auch nicht ewig Zeit. Wer weiß, er könnte Student gewesen und für den ganzen verdammten Sommer rübergekommen sein. Wie kommt Richmond voran?«
»Er hat schon einige Orte durch - Lyndgarth, Relton, Helmthorpe, Gratly.«
»Gut, seine Aufgabe sollte jetzt ein bisschen einfacher sein, wo wir wissen, dass wir einen Kanadier suchen.«
»Es gibt nur wenige Kanadier, die hier unterkommen«, sagte Hatchley. »Es ist kein Problem, die Pensionen anzurufen und ihre Gästelisten zu überprüfen, aber es ist verdammt schwer, die Wege der Leute nachzuvollziehen, nachdem sie abgereist sind. Normalerweise hinterlassen sie keine Nachsendeadressen, und nur sehr selten kann uns eine Wirtin sagen, wo sie als Nächstes hinreisen wollen.«
»So viele Männer aus Toronto, die allein reisen, kann es nicht geben«, sagte Banks. »Wenn er mit einer Gruppe oder Familie gereist wäre, bin ich mir sicher, dass man ihn mittlerweile schon als vermisst gemeldet hätte. Bleiben Sie da dran. Immerhin haben Sie unsere Suche beträchtlich vorangebracht. Haben Sie schon was von Dr. Glendenning gehört?«
»Der Superintendent hat ihn vor einer Weile angerufen. Er vernichtet noch diese verdammten Maden im Desinfektionsbad. Vor morgen in aller Frühe wird er nicht loslegen können, sagt er.«
Banks seufzte. »In Ordnung. Helfen Sie jetzt besser Richmond. Und danke, Hatchley, gute Arbeit.«
Hatchley nickte und verließ das Büro. Sie arbeiteten jetzt seit zwei Jahren zusammen, ging es Banks durch den Kopf, und er brachte es immer noch nicht übers Herz, den Sergeant zu duzen. Vielleicht würde er es eines Tages können, wenn ihm Hatchleys Vorname endlich wie selbstverständlich über die Lippen ging. Er zündete sich eine neue Zigarette an und stellte sich wieder ans Fenster, wo er die über den Platz spazierenden Leute beobachtete und einen Zapfenstreich auf das Fensterbrett trommelte.
»Sam ist nicht da«, sagte Katie an diesem Abend, als sie die Hintertür öffnete und Stephen Collier vor sich stehen sah. »Er verbringt den Abend mit seinen alten Kameraden in Leeds.«
»Kann ich nicht trotzdem reinkommen?«, fragte Stephen. »Auf eine Tasse Tee?«
»Na gut«, sagte Katie und führte ihn in die blitzsaubere Küche. »Aber nur fünf Minuten. Ich habe noch zu tun.« Sie wendete sich von ihm ab und hantierte mit dem Kessel und der Teekanne. Sie spürte, wie ihr Gesicht glühte. Es war nicht recht, mit einem anderen Mann als ihrem Ehemann allein in der Wohnung zu sein, selbst wenn es ein so netter war wie Stephen. Er hatte den Ruf eines Schürzenjägers. Jeder wusste das. Vielleicht hatte ihn sogar jemand hereinkommen sehen.
»Nick hat erzählt, dass die Polizei heute hier war«, sagte Stephen.
Katie sah ihn kurz über die Schulter an. »Das war zu erwarten, oder? Einer unserer Gäste hat eine Leiche gefunden.«
»Ist er noch da?«
»Nein. Er ist heute Nachmittag abgereist.«
»Aha«, sagte Stephen. »Ich dachte nur, ich komm mal kurz vorbei und schau, ob bei dir alles in Ordnung ist. Das kann einem ja ganz schön zu schaffen machen, wenn so was sozusagen vor der eigenen Haustür passiert. Hat die Polizei viele Fragen gestellt?«
»Mir nicht, nein. Warum sollten sie?«
»Nur so«, sagte Stephen. »Wie sieht es sonst so aus?«
»Gut, würde ich sagen«, antwortete Katie. Obwohl sie ihn seit mehr als fünf Jahren kannte und wesentlich lieber mochte als seinen Bruder, war Katie vorher eigentlich nie allein mit Stephen Collier gewesen. Meistens hatten sie sich in Gesellschaft getroffen, bei den Gartenpartys, die die Colliers im Sommer gaben, im Pub oder bei gelegentlichen Dinner-Veranstaltungen. Sie mochte Stephen. Er machte einen freundlichen und rücksichtsvollen Eindruck. Bei solchen gesellschaftlichen Anlässen hatte sie oft bemerkt, wie er sie auf eine seltsame Art anschaute. Nicht auf diese Art,
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