0407 - Am Tisch des Henkers
hatte sich mit einem Mitglied der Thompson-Familie unterhalten, der sich zum Glück in dieser Gegend auskannte.
»Haben Sie alles?«, fragte er mich.
Seine Stimme klang belegt.
Ich hob vorsichtig den Kopf und erkundigte mich: »Wie meinen Sie das, Sir?«
Er beugte sich vor und legte seine Hände gegeneinander. »John, ich weiß, was Sie hinter sich haben. Sie können von Glück sagen, dass Sie noch leben. Sie haben einiges auf den Schädel bekommen.«
Ich hob den Arm wie ein Schüler. »Nur eine Beule. Und die habe ich mir schon des Öfteren geholt.«
»Ich weiß ja, dass Sie zu den Unverbesserlichen gehören und Ihren Job ernst nehmen, aber denken Sie daran, dass ein Fall auch mal ohne Ihre Mitwirkung gelöst werden kann.«
»Ich will das Mädchen!«
Meine Stimme hatte sehr hart und entschlossen geklungen. Sir James kannte mich. Er hob die Schultern und nickte gleichzeitig. »Darf ich Ihnen dann noch viel Glück wünschen?«
»Das dürfen Sie.«
»Noch etwas. Vergessen Sie Ihren Bumerang nicht. Mir sind Henker ohne Köpfe am liebsten!«
An diese Unterhaltung und auch an die letzten Worte musste ich denken, als ich durch die einsame Nebelgegend fuhr und mich fühlte wie jemand, der in einem Film mitwirkte.
So ungefähr stellte ich mir die Szenen aus den alten Romanen von Meister Edgar Wallace vor. Die weite Landschaft, die kahlen Bäume mit den breiten Ästen und Zweigen, die von den grauen Schleiern eingehüllt wurden und nur hin und wieder ein vereinzeltes Blatt verloren, das taumelnd dem feuchten Boden entgegenfiel.
Weite Wiesen, überdeckt von einem grauen Hauch, dazwischen Bäche und Zäune. Manchmal sah ich auch Waldstücke. Trotz ihrer Größe wirkten sie etwas verloren in der Weite des Landes.
In meinem alten Bentley kam ich mir selbst wie ein Stück Vergangenheit vor, das durch diese traurige Novemberlandschaft geschoben wurde.
Ich hatte die gelben Nebelscheinwerfer eingeschaltet. Zur rechten Hand hin stieg das Gelände leicht an, wobei es dennoch flach blieb.
Eine schräge Wiese, überlagert von einem grauen Film. Das einsame Pferd, das dort weidete, wirkte auf mich wie ein vergessenes Denkmal.
Die Gegend hatte ihren Reiz, ohne Zweifel. Vielleicht hätte ich mich auch in Träumen ergehen lassen können, wenn nicht dieser Druck vorhanden gewesen wäre, es so rasch wie möglich zu schaffen. Ich durfte nicht zögern, denn es standen Menschenleben auf dem Spiel.
Trotzdem blieb ich vorsichtig.
Meinen Spickzettel hatte ich mit einem Magneten am Armaturenbrett befestigt, und zwar so, dass ich während der Fahrt draufschauen konnte.
Der größte Teil der Strecke lag hinter mir, und ich hatte nur noch Minuten zu fahren.
Meinen Wagen wollte ich nicht bis vor das Haus rollen lassen.
Schon jetzt suchte ich nach einem Parkplatz, der vom Haus aus nicht eingesehen werden konnte.
Mir fiel eine Waldinsel auf, zu der ein Wirtschaftsweg führte.
In der Dunkelheit näherte ich mich dem Gebäude von der Seite.
Und ich sah das Licht im Gasthaus.
Ich war ein einsamer Mann, eingehüllt von der Dunkelheit und dem Nebel, umgeben von einer lastenden Stille.
War es schon die Stille des Todes?
Plötzlich wurde mir kalt!
***
Sie sprachen kein Wort, denn sie waren unfähig, sich zu artikulieren. So hockten sie greisenhaft und wie Statuen auf ihren Stühlen und starrten den Henker an.
Ein Stuhl war noch frei.
Auf ihn schritt der Henker zu. Langsam, gemessen, sich seiner Stärke durchaus bewusst. Hinter der Kapuze war das Gesicht verborgen.
Nur die Augen waren zu sehen. Sie füllten die Schlitze aus wie dunkle Seen. Die beiden Lampen erreichten mit ihrem Schein den unheimlichen Henker kaum. Er hielt sich stets im Schatten und wurde höchstens von den zerfasernden Lichtkreisen gestreift.
Er tat so, als hätte er die drei Männer nicht gesehen. Vor dem Stuhl blieb er für einen Moment stehen, fasste nach der Lehne, zog das Sitzmöbel zu sich heran und ließ sich darauf nieder.
Jetzt war der Stammtisch des Henkers besetzt!
Der Henker hatte seine Hand ausgestreckt, wobei seine Finger auf dem Griff des Richtschwerts lagen, über dessen blanker Klinge der hölzerne Axtgriff lag.
Noch immer schwiegen die Männer. Nur ihr Atem war zu hören.
Clifton erinnerte immer stärker an einen Geier. Er hatte seinen Kopf vorgebeugt, hielt den Mund offen und atmete stoßweise.
Die anderen taten nichts. Bei ihnen war kaum festzustellen, dass sie noch lebten. Sie glichen Denkmälern. Nur manchmal durchlief sie ein Zittern,
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