041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
krachend zusammenschlägt.
Dick ließ Sybil los und sprang mit mächtigen Sätzen durch den Gang in die Vorkammer und von dort die Treppe hinauf. Ein Blitzstrahl blendete ihn, das Krachen des Donners hemmte seinen Schritt. Dann sah er, was er befürchtet hatte. Das eiserne Gitter war zugeschlagen worden, und der nasse Lehmboden zeigte die Eindrücke nackter Füße von übermenschlicher Größe.
15
Plötzlich tauchten Havelock und Sybil aus dem Dunkel des unterirdischen Gewölbes auf. Sybils Augen zeigten eine angstvolle Starre, und Havelock war bleich wie der Tod. Seine Hand zitterte krampfhaft, als er an dem Gitter zu rütteln begann.
»Wer hat sich diesen dummen Spaß mit uns erlaubt?« fragte er ärgerlich in das Toben des Gewitters hinein; seine Stimme bebte, und nackte Angst gab ihr einen schrillen Klang.
Dick antwortete nicht. Er starrte mit zusammengepreßten Lippen in das Dickicht des Waldes. In wenigen Minuten hatte sich das helle Tageslicht in drohende Finsternis verwandelt.
Aufprasselnd schlug die Regenflut auf den Boden, prallte ab und zischte dem Späher ins Gesicht. Aber in der Gefahr besaßen seine Augen eine unnatürliche Schärfe. Deutlich sah er, wie es sich hinter den Rhododendronbüschen regte. Ein nackter Schenkel wurde sichtbar. Rasch hob Dick die Pistole und feuerte zweimal.
Er hätte zum drittenmal geschossen, aber Sybil umklammerte schluchzend seinen Arm. »O bitte, bitte, schießen Sie nicht«, bat sie flehend. »Noch wissen wir nicht, ob wir das Recht haben, jemandem etwas zuleide zu tun.«
Ihr Kopf lag an seiner Brust. Da ließ er mit einem Lächeln die Waffe sinken.
»Bitte, geben Sie mir Ihren Schlüssel!« sagte er kurz zu Havelock.
Er schob den Arm durch die Gitterstangen - denn das Schloß war nur von außen angebracht - und stieß den Schlüssel hinein. Eine Drehung der Hand, und die Tür flog auf.
Dick wandte sich ruhig an Sybil.
»Bitte, gehen Sie jetzt voraus, ich komme gleich nach!«
Mit ein paar Sätzen verschwand er im Dickicht in der Richtung seines Schusses.
Er hatte nicht weit zu gehen, da leuchtete etwas gelb im Waldgrase auf. Er bückte sich und entdeckte eine Stahlflasche, an deren glatter Oberfläche ein Blutspritzer haften geblieben war. Ganz konnten also seine Schüsse nicht fehlgegangen sein. Die Stahlflasche mochte etwa vier Fuß lang sein. Sie war so schwer, daß Dick sie nur mit Mühe heben konnte. An der verschlossenen Ausflußröhre saß ein Gummischlauch. Ein paar Schritte davon entfernt fand er eine zweite Stahlflasche, die der ersten völlig glich, nur trug diese ein kreisrundes rotes Etikett, das bei der anderen offenbar abgekratzt war. Trotz der Nässe, die die Aufschrift abzuwaschen drohte, war sie noch leserlich. Dick entzifferte: »Chlorgas! Vorsicht! Gift!«
Langsam richtete er sich auf. Ein Erstickungsattentat war also geplant gewesen mit solchen Mengen giftigen Gases, daß nach Öffnung auch nur einer Flasche keiner von ihnen lebend die Totengruft verlassen hätte. Vorsichtig bog er die Zweige der nächsten Büsche auseinander, aber der unheimliche Riese war wie vom Erdboden verschluckt, seine Spuren hatte der wolkenbruchartige Regen bereits verwischt.
Mit raschen Schritten holte Dick Sybil und ihren Begleiter ein. Es blitzte unaufhörlich, der Regen brauste, die Wipfel der Bäume bogen sich, und die Donner gingen pausenlos ineinander über. Mühsam stolperte Sybil über den unebenen Boden. Nasse Zweige schlugen ihr ins Gesicht und zerzausten ihr Haar. Wortlos übernahm Dick die Führung.
»Wen haben Sie gesehen? Auf wen haben Sie geschossen?« fragte Havelock heiser.
»Auf ein Gespenst meiner Einbildung«, sagte Dick gelassen.
Endlich lichtete sich der Wald. Sie atmeten auf, obwohl sie jetzt schutzlos dem Regen preisgegeben waren. Dick begleitete Sybil bis zum Herrenhaus. Die Einladung, in die Halle zu kommen und sich an einer Tasse Tee zu erwärmen, lehnte er ab.
Noch war das Wichtigste ungetan. Er wartete, bis sich die Tür hinter Sybil geschlossen hatte, dann ging er denselben Weg noch einmal zurück. Er mäßigte den Schritt, als er den Wald betrat. Seine Augen spähten nach rechts und nach links. Er gelangte ungefährdet bis zu den Gräbern, die er genauso wiederfand, wie er sie verlassen hatte.
Er nahm ein Paar Handschellen aus der Manteltasche und schnappte sie um das Schloß, so daß es für seinen unbekannten Verfolger unmöglich war, ihn einzuschließen. Dann ging er die Stufen hinab und beleuchtete mit dem grellen Licht
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