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0412 - Wo Canaro wütet

0412 - Wo Canaro wütet

Titel: 0412 - Wo Canaro wütet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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überhaupt konnte – aber sie hoffte.
    Und sie ahnte nicht einmal entfernt, daß sie damit dem Unheimlichen in ihr Vorschub leistete, daß sie diese Fähigkeiten als Mittel zum Zweck akzeptierte!
    Damit akzeptierte sie unterbewußt alles!
    Nach etwas mehr als sechs Stunden Flug war die Maschine pünktlich auf dem Pariser Flughafen gelandet. Gewissermaßen war die Reise zeitlos gewesen. Der Sprung über sechs Zeitzonen ließ sie fast um die gleiche Stunde in Paris eintreffen, zu der sie in New York abgeflogen war.
    Sie hatte die Uhr zurückgestellt, und sie hatte erst gar nicht versucht, sich in das morgendliche Paris zu stürzen.
    Vom Flughafen ließ sie sich von einem Taxi zum Gare d’Austerlitz bringen, einem der Fernbahnhöfe der Stadt. Sie wollte per Eisenbahn ihre Reise fortsetzen. Es war nicht sicher, ob der Trick mit einem Flugticket ein zweites Mal so funktioniert hätte wie in New York. Sie wollte es nicht überreizen. Zum anderen war es doch nichts anderes als Diebstahl gewesen – sie hatte einer anderen Frau die Flugkarte abgenommen, für die jene bestimmt tausend Dollar hingeblättert hatte. Für die mit materiellen Gütern nicht gerade gesegnete Studentin eine kaum vorstellbare Summe.
    Es belastete ihr Gewissen.
    Sie wollte es nach Möglichkeit kein zweites Mal versuchen. Wie sie von Frankreich aus wieder in die USA zurückkam, stand auf einem anderen Blatt. Vielleicht konnte sie hier eine Weile arbeiten, bis sie das Geld für den Rückflug zusammen hatte…
    Zukunftsmusik! Sieh erst zu, daß du zu Zamorra gelangst! Über alles andere kannst du dir den Kopf zerbrechen, wenn es soweit ist!
    Sie preßte die Hände gegen die Schläfen. Die Stimme war wieder da. Dieses Fremde, Unheimliche, das in ihr wohnte…
    Das Taxi bezahlte sie mit US-Dollars, die sie noch bei sich hatte – aus Grays Besitz. Der Tote benötigte das Geld nicht mehr, und wenn sie es verwenden konnte, war es gut – in dieser Hinsicht hatte sie weniger Gewissensbisse. Sie fragte sich, ob man ihn inzwischen entdeckt hatte. Sicher – was würde aber nun daraus resultieren? Vielleicht war es nicht einmal gut, nach New York heimzukehren. Wenn man Grays Tod dort mit ihr in Verbindung brachte…
    Sie betrachtete ihre leichte Reisetasche; nicht mehr als Handgepäck. Das reichte niemals aus, um alle Brücken hinter sich abzubrechen…
    Sie schluckte. Sie spürte, daß sie immer mehr in diese verfahrene Lage hineinrutschte, aber sie fand keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun. Das Geschehen verselbständigte sich mehr und mehr, das Gesetz des Handelns glitt ihr aus der Hand.
    Wie nun weiter?
    Sie suchte eine Bahnverbindung nach Roanne und weiter und wurde schließlich fündig. Gut eineinhalb Stunden mußte sie warten, bis der nächste Zug in die gewünschte Richtung fuhr. Genug Zeit, nachzudenken und sich zu erholen…
    Aber ihre Gedanken bewegten sich im Kreis.
    Da war sie nun in einer fremden Stadt, in einem fremden Land, dessen Sprache sie kaum verstand, und hatte Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. War es nicht doch ein Fehler gewesen?
    Du mußt zu Zamorra. Vergiß das nicht.
    Sie nickte.
    Er mußte ihr helfen. In ihren Fingern zuckte es. Sie glaubte ihn vor sich zu sehen, den Parapsychologen und Dämonenjäger. Und…
    Sie schloß die Augen. Das Bild schwand.
    Was war das gewesen? Sie versuchte es, aber sie konnte die Gedankenkette nicht zurückrufen. Es waren nicht ihre Gedanken gewesen.
    Als der Zug einlief, suchte sie sich ein Abteil und verschanzte sich förmlich darin. Sie wollte allein sein. Jemand versuchte, sich ebenfalls hineinzugesellen, aber ein scharfes, befehlendes ›Nein‹ ließ ihn zurückweichen und die Abteiltür von außen wieder schließen.
    »Warum?« flüsterte sie. Es wäre eine Gelegenheit gewesen, mit jemandem zu sprechen. Sie brauchte einen Menschen, mit dem sie reden konnte. Zu viel lastete inzwischen auf ihr. Aber sie hatte ihn fortgeschickt, diesen Mitreisenden.
    Warum?
    War es wirklich sie gewesen, die Nein gesagt hatte? Oder – das andere in ihr, von dem sie nicht wußte, was es war, welche Bedeutung es für sie hatte?
    Sie zog die Vorhänge vor die Fenster zum Gang und ließ sich wieder auf die gepolsterte Bank fallen. Sie schloß die Augen.
    Der Zug rollte an und trug sie ihrem Ziel entgegen. Sie hoffte, daß es in der Nähe des Château Montagne einen Bahnhof gab, an dem dieser Zug überhaupt hielt. So genau, wie sie es sich gewünscht hätte, ging es aus den Karten nicht hervor.
    Und es gab

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