0416 - Der Monstermacher
wieder sah sie die Szene in Corons Labor vor sich. Das Schattenhafte einer anderen Dimension, durch einen winzigen Hauch von der wirklichen Welt getrennt. Vielleicht bestand der Unterschied zur Wirklichkeit nur in ein paar Dutzend Atomen. Aber es reichte schon aus.
Plötzlich fühlte sie, daß sie in ihrem Zimmer nicht mehr allein war.
Jemand hatte es betreten, obgleich sie sie doch fixiert hatte, daß niemand hereinkommen konnte! Die Wand hätte sich für keinen Eindringling öffnen dürfen, ganz gleich, um wen es sich handelte.
»Licht«, befahl sie.
Es blieb dunkel im Raum.
Panik sprang sie an. Was geschah hier? Kam das Unheimliche jetzt auch zu ihr? Wer konnte dem Organhaus bindendere, zwingendere Befehle erteilen als sie selbst? Warum gehorchte das Zimmer ihr nicht mehr?
Schreckensvisionen durchzuckten sie. Was, wenn dieses Zimmer sich plötzlich gegen sie wandte? Wenn es zur Waffe wurde?
Sie fragte sich, wieso sie zu dieser Vorstellung kam. Niemand hatte jemals davon gehört, daß ein Zimmer oder ein ganzes Haus sich gegen seine Bewohner aufgelehnt hatte. Organhäuser hatten immer bedingungslos gehorcht!
Hier war das nicht der Fall.
»Licht«, befahl sie abermals – vergeblich. Sie wahrte sich gegen die Vorstellung, daß das Zimmer plötzlich seinen Rauminhalt verkleinerte und sie schließlich in sich erdrückte, nur weil irgend jemand es entsprechend steuerte. Weil es vielleicht wahnsinnig wurde – sofern das bei einer pflanzlichen Substanz überhaupt möglich war.
Die Druidin richtete sich halb auf und lauschte.
Niemand atmete.
Niemand sandte ein Bewußtseinsmuster aus. Objektiv betrachtet war sie in ihrem Zimmer allein – aber dennoch wußte sie, daß jemand hereingekommen war!
Einer der beiden Fremden, die in Corons Labor etwas Entsetzliches ausbrüteten und Coron, den Wissenschaftler, wahrscheinlich unter hypnotischem Zwang hatten? Die ein unglaubliches Drachen-Wesen auf den Silbermond gebracht haben mußten, eine Bestie, die es hier nicht geben durfte?
Oder… ?
Augen funkelten.
Sie glühten wie Phosphor. Druiden-Augen… ?
Damit schieden die Fremden aber aus! Sie besaßen keine Druiden-Augen, überhaupt keine druidischen Merkmale!
»Wer ist da?« schrie sie auf.
Die Augen kamen näher.
»Tal? Coron? Laßt die dummen Scherze! Was soll das?«
Aber es konnten weder Tal noch Coron sein. Beiden traute sie dieses Vorgehen nicht zu. Wer aber war dann hier erschienen?
Bei aller Anstrengung konnte sie immer noch keine Gedankenmuster erkennen. Wie im Labor! Da hatte sie auch weder Corons Muster noch die der beiden Fremden spüren können.
Da schlug sie zu!
Alle ihr verbliebene Kraft setzte sie ein, versuchte, den Unsichtbaren mit den glühenden Augen in der Dunkelheit vor sich zu packen, zu ertasten.
Aber sie griff ins Leere. Die körperlosen Hände ihrer Druiden-Magie wurden abgelenkt. Und da sprang der Unheimliche sie an!
Plötzlich war er über ihr, lastete mit seinem Gewicht auf ihr. Sie schlug nach ihm, versuchte ihn abzuschütteln und dabei zu erkennen, um wen es sich handelte. Aber in der nächsten Sekunde war sie tot.
***
Auch Tal hatte keine Ruhe gefunden. Nachdem Giana so abrupt gegangen war, saß er noch eine Weile vor dem erloschenen Kaminfeuer und überlegte, was er tun sollte. Er ging der Druidin schließlich nach und versuchte ihr Zimmer zu betreten, aber es sperrte sich gegen ihn. Sie hatte es wohl blockiert, weil sie ungestört bleiben wollte.
Das kam schon einmal vor, war aber höchst selten.
Sie kannten sich seit langem. Schon bevor sie beide in Corons Dienst traten, waren sie einmal ein Paar gewesen, hatten sich irgendwann getrennt und waren ausgerechnet hier wieder zusammengekommen. Und sie hatten festgestellt, daß die damalige Trennung wohl ein Fehler gewesen war.
Zwischen ihnen war eine kritische, aber dennoch tiefgehende Freundschaft entstanden, die fast mit Liebe gleichzusetzen war. Sie verbrachten sehr viel Zeit miteinander, und sie kannten sich.
War es da ein Wunder, daß sich Tal um Giana sorgte?
Er überlegte, ob er die Sperrung mit Gewalt durchdringen sollte. Aber er wußte nicht, was dabei herauskommen würde. Die Organhäuser lebten.
Auf Beschädigungen reagierten sie recht empfindlich.
Tal sandte fragende Gedanken aus, konnte Giana aber nicht erreichen.
Er fühlte wohl, daß sie da war und nicht schlafen konnte, aber das war auch alles. Sie reagierte nicht auf seine telepathischen Kontaktversuche.
Bedauernd wandte er sich ab und suchte sein
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