0416 - Der Monstermacher
Dimensionsbarrieren besser kennen als ich, bloß bleibt die Schwierigkeit, in die Vergangenheit vorzustoßen… Himmel, Bois, ich habe jetzt keine Zeit, mir stundenlang Gedanken darum zu machen. Ich kann jetzt so oder so nichts tun. Au revoir.«
Und dann klickte es, und die Übersee-Schaltung war tot.
Langsam ließ Raffael den Hörer auf die Gabel zurücksinken. Er schloß die Augen.
So wie jetzt hatte er Tendyke noch nie erlebt. Der Abenteurer war schon ein paarmal zu Besuch im Château gewesen, und da hatte Raffael ihn ganz anders kennengelernt. Das, was er jetzt gehört hatte, war eine klare Absage gewesen.
Keine Hilfeleistung!
Und – hatte Tendyke nicht gelogen? Wenn er auf dem Silbermond erschienen war, um Zamorra und die anderen zurückzuholen, mußte er den Weg dorthin doch kennen! Weshalb behauptete er jetzt das Gegenteil?
Da stimmte doch etwas nicht!
***
Tendyke hatte nicht gelogen. Er hatte aber auch nicht die ganze Wahrheit gesagt.
Er hatte nichts von Avalon gesagt.
Der Weg zum Silbermond führte für ihn über Avalon, die Insel der Feen jenseits der Zeit. Beim ersten Mal war er über Avalon zum Silbermond gelangt, weil es anscheinend gerade so paßte, ihn dorthin zu schicken – er war gerade verfügbar.
In den Sümpfen Louisianas hatte ihn eine tödliche Kugel eines Gangsters erwischt…
Der Weg nach Avalon war – der Tod!
Nur sterbend gelangte Tendyke dorthin. Aber er mußte genug Zeit haben, den Schlüssel und den Zauber benutzen zu können. Er mußte vorbereitet sein auf den Tod, um über Avalon ins Leben zurückkehren zu können.
Avalon war das Leben, aber die Angst vor dem Tod und den Schmerz des Sterbens konnte man ihm dort nicht nehmen. Die ständige Ungewißheit, ob die Zeit noch reichte, ob der Schlüssel paßte und der Zauber noch funktionierte… oder ob alles bereits zu spät war. Tendyke provozierte den Tod nicht. Er wollte ihn nicht, aber wenn er kam, konnte Avalon ihn retten.
So war er von Avalon zum Silbermond gesandt worden, in die Vergangenheit, um die dorthin Verschollenen zurückzuholen. Ein Auftrag, der ihm so schwer gefallen war wie niemals zuvor. Denn um vom Silbermond in die Gegenwart der Erde zurückzukehren, mußte mangels der Zeitringe Zamorras der Weg abermals über die Insel im Nebel der Zeit führen.
Abermals durch den Tod!
Und er hatte Angst vor dem Sterben gehabt, und noch schlimmer war es für ihn gewesen, daß er diese Angst mit niemanden teilen konnte. Er durfte nicht über Avalon reden. Und er hatte Sorge gehabt, daß Zamorra oder einer der anderen sein Geheimnis enträtselte.
Doch das war nicht geschehen. Sie hatten die Erinnerung verloren.
Nur ihm war sie geblieben. Die Erinnerung an das Inferno der explodierenden Basis, des abstürzenden Sternenschiffes der Meeghs, Feuer und Tod… Tod für sie alle. Und er hatte sie alle, die in diesem Inferno starben, mitnehmen können, und Avalon hatte ihnen neues Leben gewährt, um sie dorthin auszuspeien, von wo sie ursprünglich kamen. [1]
Noch einmal wollte er dieses Grauen nicht durchmachen.
Er wollte nicht noch einmal doppelt sterben müssen, um andere zu retten. Der Preis, den er dafür zu zahlen hatte, war zu hoch.
Es mußte andere Wege geben…
Und dazu kam noch etwas. Er wurde hier und jetzt in Florida gebraucht.
Es war soweit. Die Schwangerschaft Uschi Peters’ hatte ihr Endstadium erreicht. Die Geburt des Kindes stand unmittelbar bevor.
Und in diesen Stunden wollte und konnte er das Mädchen nicht allein lassen. Er konnte es nicht verantworten, daß Uschi und ihre Zwillingsschwester in Sorge um sein Überleben fieberten, während das Kind kam.
Er wollte, er mußte dabei sein.
Er war ein ungewöhnlicher Mensch, aber in einem Punkt keine Ausnahme: er war übernervös wie jeder werdende Vater…
Und so wichtig es war, Freunden in der Gefahr beizustehen – er konnte und wollte es nicht. Nicht zu diesem Zeitpunkt, und nicht unter diesen Umständen.
Er versuchte sich mit dem Gedanken daran zu beruhigen, daß es genug andere gab, die helfen konnten.
Aber war er nicht durch seine Untätigkeit trotzdem ein Verräter… ?
***
In Corons Labor starrte Zamorra fassungslos auf Nicoles spitze Vampirzähne.
Coron, der MÄCHTIGE, hatte bei der hübschen Französin darauf verzichtet, sie körperlich zu verändern, sondern ihr nur eine andere innere Struktur gegeben, die sie zur Blutsaugerin machte, die die Nachtstunden brauchte, um leben zu können und die ihre Lebenskraft aus dem getrunkenen Blut
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