042 - Die Unsterblichen
Schreie verstummt waren. »Was geht hier vor?«, wollte sie wissen.
Sie straffte ihren Körper und Miki ließ sie gehen. Kurz bevor sie die Tür öffnete, beschlichen sie letzte Zweifel, ob sie wirklich wissen wollte, was in dem anderen Raum vor sich ging - dann drückte sie entschlossen die Klinke.
Carter drehte sich überrascht um, als sie eintrat. »Du solltest dich nicht überanstrengen«, tadelte er.
Naoki ignorierte ihn und seine Worte. Sie starrte nur auf die Frau, die neben ihm auf der Couch lag. Es war eine Wilde von außerhalb der Stadt, die nur einen Laborkittel trug. Sie war noch jung, Anfang Zwanzig, doch ihr fehlte ein Unterarm.
Der Linke.
Wimmernd drückte sie den Stumpf gegen ihren Körper, obwohl ihre entrückten Augen anzeigten, dass sie eine neues Schmerzmittel erhalten hatte.
»Was ist mit ihr?«, keuchte Naoki.
»Das arme Kind hatte einen Unfall«, erklärte Carter mit leisem Lächeln.
»Aber keine Angst, ich werde ihr helfen. Sie erhält von mir eine Prothese, die nicht mal ihr Zukünftiger erkennen wird. Allerdings muss ich ihre Medikamentendosis erhöhen. Diese Wilden sind widerstandsfähiger, als ich dachte.«
Naoki spürte, wie ein saurer Geschmack ihre Speiseröhre hinauf kroch. »Unfall?«, krächzte sie. »Du hast doch wohl nicht…« Entsetzt starrte sie auf ihren Verband, unter dem neue, junge, straffe Haut pochte.
Miki fasste sie von hinten an den Schultern.
»Es ist nicht so, wie du denkst. Sie hat die Haut freiwillig gespendet. Sie erhält dafür eine gute Bezahlung und wird von uns medizinisch versorgt.«
Naoki entzog sich seinem Griff, obwohl sie von Schwindelgefühl erfasst wurde. Sie stützte sich an der Wand ab und erbrach sich.
»Dass du auch nie weißt, wann du deine Klappe halten musst«, tadelte Carter seinen japanischen Kollegen, bevor er sich die Bescherung ansah, die neben Naoki an der Wand herunter lief. Kopfschüttelnd fuhr er fort:
»Seht ihr, mit einem mechanischen Innenleben wäre das nicht passiert.«
* Mutter!
Matthew Drax fühlte bei diesem Wort, wie ein kalter Schauer über seinen Rücken jagte. Die Ähnlichkeit zwischen Naoki und dem Grubenkämpfer war unverkennbar, aber wie konnte diese junge Frau einen erwachsenen Sohn haben?
Matt besaß jedoch nicht die Muße, die Familienverhältnisse der Cyborgs näher zu betrachten. Die aufgeheizte Stimmung unter den Biisonjägern konnte jeden Augenblick explodieren.
»Werft den Unsterblichen in die Grube«, feuerte der Ansager die Bewaffneten an. »Er hat mit unerlaubten Mitteln gekämpft und unseren Grizzo getötet!«
Aiko stellte sich schützend vor seine Mutter und schlug einen Kreis mit seinem Kampfdorn, um die Menge auf Abstand zu halten. Die Flintenträger ließen sich davon nicht beeindrucken. Entschlossen legten vier von ihnen an und nahmen die Cyborgs ins Visier.
Doch ehe sie den Zeigefinger krümmen konnten, sprang ihnen eine Blitzkaskade aus Naokis Handschuh entgegen. Die Schützen zuckten unter den Strahlen zusammen, als würden sie mit einer Peitsche verprügelt. Jaulend wichen sie zurück.
»Los, ihr Feiglinge!«, keifte der Ansager.
»Sie können nicht alle auf einmal abwehren!« Ein lauter Knall zu seinen Füßen ließ ihn verstummen. Verwirrt sah er in die Runde. Das Blut wich aus seinem Gesicht, als er den Fremden entdeckte, der mit einem schmalen Gegenstand auf ihn zielte. Konnte es sein, dass eine so kleine Waffe mehr bewirkte als ein Vorderlader?
Matt feuerte ein zweites Mal mit dem Driller. Diesmal zielte er etwas höher.
Das bleistiftdünne Geschoss detonierte knapp unterhalb der Grubenkante. Der Ansager riss den Arm in die Höhe, um sich vor den Betonsplittern zu schützen, die auf ihn herab hagelten. Das Geschrei der Menge verstummte. Nicht nur wegen der Explosionen, sondern auch, weil sich jeder fragte, wie viele Unsterbliche noch unerkannt unter ihnen lauerten. Die dunkelhaarige Barbarin, die mit gezogenem Schwert den Rücken des Blonden sicherte, musste auch dazu gehören.
»Lassen Sie alle Kampfhandlungen einstellen«, forderte Matt von dem Ansager.
»Dann wird niemanden ein Leid geschehen.« Der Pilot bot nicht zum ersten Mal einer Übermacht Paroli. Deshalb wusste er, dass es meist reichte, die Scharfmacher mundtot zu machen.
Der Bullige sah nervös in die Runde. Nun, da er selbst in den Lauf einer Waffe sah, blieb ihm plötzlich die Sprache weg.
»Nicht schießen«, krächzte er hektisch, ohne dass richtig klar wurde, ob er Matt oder die Biisonjäger meinte. Die
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