0420 - Der Magier von Lyon
ihn dem Anwalt. Adressen standen darauf, von der Polizei in Roanne über New Scotland Yard bis hin zum Pentagon in den USA. Damals hatte er mit Colonel Balder Odinsson häufiger zusammengearbeitet. Odinsson war tot, aber Zamorras Name würde sich noch in den Datenspeichern befinden. »Das Innenministerium der britischen Regierung stellte mir einen Sonderausweis aus, der mir für Notfälle polizeiähnliche Befugnisse gibt… für den russischen KGB bin ich ebenfalls tätig gewesen… bitte, Mondee. Rufen Sie die verschiedenen Büros an, aber vergewissern Sie sich vorher, daß die Telefonnummern, die ich auf diesem Papier habe zusammenstellen lassen, auch stimmen. Ich könnte ja mit einem Trick versuchen, Sie hereinzulegen…«
Mondee sah ihn an. Sein Gesicht blieb ausdruckslos und zeigte nicht, ob er von der Aufstellung beeindruckt war oder nicht. »Warum nutzen Sie nicht Ihre zweifellos vorhandenen Beziehungen, um direkt von der Staatsanwaltschaft eine Besuchserlaubnis zu erwirken? Man wird sie Ihnen doch kaum verwehren.«
»Ich möchte diesmal für den Angeklagten arbeiten und nicht gegen ihn. Deshalb bin ich zuerst zu Ihnen gekommen, Mondee. Und ich möchte Ihnen Material zur Entlastung Ihres Mandanten andienen können. Dazu muß ich aber erst eine Besuchsgenehmigung haben.«
»Ich begleite Sie. Dann sparen wir uns den ganzen Bürokram«, sagte Mondee. Er sagte nicht, daß er Zamorra damit direkt unter Beobachtung hatte. Aber dem Professor war das gleich.
Es war Mittag, als sie das Untersuchungsgefängnis erreichten. Wenig später saßen sie in dem kleinen Besuchsraum dem Inhaftierten gegen über.
Zamorra versuchte, sich nicht von Roquets Äußerem blenden zu lassen. Der etwa 35jährige Mann wirkte durchaus sympathisch. Von einem Mörder hatte er nichts an sich, aber die Tage, in denen er sich in Untersuchungshaft befand und täglich mit Medizinern und Psychologen zu tun hatte, hatten ihn verunsichert und etwas hilflos gemacht. Er schaffte es nicht, Zamorras Blick zu erwidern.
»Und was wollen Sie?« fragte er, den Blick auf die Maserung der Holztischplatte gerichtet.
»Ihnen helfen, Roquet«, sagte Zamorra. »Bitte, entspannen Sie sich. Denken Sie an nichts, an gar nichts. Ich…«
»Ich habe es satt«, sagte Roquet unvermittelt. »Ich habe diesen Mann nicht erschossen. Ich habe die Pistole nie besessen, die man bei mir gefunden hat. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich an die Waffe gekommen sein soll. Vielleicht hat sie mir jemand heimlich zugesteckt. Ich habe es satt, ständig untersucht zu werden, damit man mich für unzurechnungsfähig erklären kann. Gehen Sie, Monsieur. Ich will nicht mehr.«
Zamorra sah Mondee an, der sich erhob.
»Tja, Zamorra«, sagte er. »Mein Mandant möchte nicht, daß Sie sich mit ihm befassen. Sein gutes Recht.«
»Einen Versuch noch«, sagte Zamorra.
Er öffnete sein Hemd und zog das Amulett hervor. Mitsamt der Kette zog er es über den Kopf, anstatt es wie sonst aus dem Verschluß zu haken. Über dem Zeigefinger hielt er die Kette und ließ die handtellergroße Silberscheibe mit den kunstvollen Verzierungen leicht pendeln.
Verblüfft starrte der Anwalt das Amulett an.
»Was soll das?«
Auch Roquet war erstaunt. Er wollte den Blick von der Silberscheibe wenden, aber da hatte Zamorra ihn bereits hypnotisiert. In einem blitzschnellen Para-Angriff hatte er Roquet in Trance-Zustand versetzt. Das Amulett hatte er dafür nicht einmal benötigt. Roquets Geist war in seiner Verblüffung extrem geöffnet gewesen, so daß es Zamorra sehr leicht fiel, ihn mit seiner Routine zu hypnotisieren. Schwieriger oder fast unmöglich wäre es gewesen, wenn Roquet zu jenen Menschen gehört hätte, die nicht oder fast gar nicht zu hypnotisieren sind.
Das Amulett hatte bei diesem Vorgang nur Alibi-Funktion dem Anwalt gegenüber. Es fiel Zamorra leichter, ihm die Hypnose klar zu machen, wenn er behauptete, Roquet durch Fixierung auf die Pendelbewegung unter seine Kontrolle gebracht zu haben.
»So schnell geht das, jemanden zu hypnotisieren?« staunte Mondee. »Das habe ich ja noch nie gesehen!«
»Ich kann es jederzeit wiederholen, und vielleicht noch schneller«, erwiderte Zamorra schulterzuckend. »Es ist eine Frage der Routine. Und es ist gut, daß Sie dabei sind. So können Sie sich direkt davon überzeugen und später bestätigen, daß alles korrekt zugeht.«
»Wenn Sie das korrekt nennen, jemanden zu hypnotisieren, ohne ihn vorher gefragt zu haben… ich muß entschieden
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