0420 - Der Magier von Lyon
wollten auf ihn einreden. Er hob die Hand. »Ruhe«, verlangte er. »Ich weiß doch nicht mehr als ihr, aber hat einer daran gedacht, die Polizei anzurufen?«
»Ich«, sagte Mostache, der Pascal Lafitte mit dem Griff zum Telefonhörer nur um ein paar Sekunden zuvorgekommen war, weil er direkt neben dem Apparat stand.
Zamorra nickte. Er ließ sich von Mostache einen Cognac reichen. Als er trank und sich im Lokal umsah, vermißte er die Druidin.
»Zeitloser Sprung«, verriet Pascal ihm unaufgefordert. »Du warst gerade draußen, als sie verschwand.«
Sekunden später war sie wieder da. Mit ihr tauchte Henri Vaultier auf, der sich heftig gegen die Druidin zu wehren versuchte. Teri Rheken verstärkte ihre Körperkraft durch Magie, und der Dicke wußte nicht, wie ihm geschah, als er von der schlanken Frau, der er so viel Kraft gar nicht zugetraut hatte, auf einen Stuhl gedrückt wurde. »So, mein Lieber, und jetzt erzählst du uns mal, was das hier soll, bis die Polizei eintrifft…«
»Das ist Henri Vaultier«, sagte Zamorra. »Der Mann, der mich beauftragte, Tibor Thibaut auf den Zahn zu fühlen.«
»Ich weiß gar nicht, was das hier soll«, zeterte Vaultier. »Wie komme ich überhaupt hierher? Ich war doch gerade noch zu Hause, weil ich…« Er sah auf die Uhr, die über der Theke hing.
Er wurde blaß.
»Stimmt die?« fragte er entgeistert und verglich mit seiner Armbanduhr. »Das gibt’s doch nicht! Gerade war’s doch noch zwei Stunden früher…«
»Von St. Etienne bis hierher fährt man etwa vierzig Minuten, aber vermutlich haben Sie die restliche Zeit verloren, weil Sie erst nach mir suchen mußten, nicht wahr?« fragte Zamorra.
Vaultier wirkte hilflos. Er sprang nicht wieder auf, als Teri ihren Griff lockerte. Sein Gesicht drückte Fassungslosigkeit aus, Bestürzung. »Aber ich… ich war doch gerade noch zu Hause. Sie hatten bei mir angerufen, und ich… meine Güte, es ist ja schon dunkel geworden draußen…«
»Daß Sie auf mich geschossen haben, wissen Sie nicht mehr?«
»Ich?« Vaultiers Baßstimme stieg glatt um eine Oktave höher. »Geschossen? Auf Sie, Zamorra? Ich bin doch nicht verrückt…«
Pascal Lafitte trat an den Tisch neben Vaultier und legte den Revolver dort ab. Er hielt ihn nur am Lauf, vorsichtshalber, um keine Fingerabdrücke zu verwischen. »Das ist doch Ihre Waffe, nicht wahr? Zwei Kugeln fehlen. Eine steckt drüben im Tischbein. Die andere… ist zerstört worden.«
»Wie, zerstört?« Sekunden später wurde Vaultier klar, was ihm da gerade vorgehalten worden war. »Das ist nicht meine Waffe. Ich besitze überhaupt keine Waffe! Was sollte ich auch damit?«
»Zum Beispiel Menschen mit einem Kopfschuß töten wollen«, sagte Lafitte kalt.
»Aber… ich habe doch nicht…«
Er war fassungslos und entsetzt. Zamorra konnte ihm nachfühlen, wie ihm zumute war. In diesem Moment fand er fast spielend Kontakt zu Vaultiers Bewußtsein. Die Blockierung war noch immer vorhanden und jetzt in derselben Form zu spüren wie am Mittag bei Roquet.
»Kennen Sie André Roquet?« erkundigte er sich.
»Nie gehört, den Namen. Wer soll das sein?«
»Vielleicht war er auch einer von Thibauts Kunden«, vermutete Zamorra. »Es hätte sein können, daß Sie sich gegenseitig kennen… na ja, man kann nicht alles haben.«
Teri Rheken sah Zamorra an. Sie strich sich durch ihr langes Goldhaar. Funken knisterten.
»Vorhin, als er hereinkam, um auf dich zu schießen, konnte ich seine Gedanken nicht spüren. Er dachte überhaupt nicht. Warum ich versuchte, nach seinem Geist zu tasten, kann ich mir nicht erklären, aber zwischen vorhin und jetzt ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ihm fehlen auch ein paar Stunden in seiner Erinnerung. Die setzen erst wieder bei ihm zu Hause ein… seine Behauptung stimmt also, nichts zu wissen.«
Vaultier erhob sich. Langsam, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen. Er war also zumindest vorsichtig und dachte mit. Mit blitzenden Augen starrte er die Druidin an, die ihn um Haupteslänge überragte. Gegen Zamorra wirkte der kugelbäuchige Mann ohnehin wie ein Zwerg.
»Was - was sagen Sie da? Ich hätte nicht gedacht? Woher wollen Sie das überhaupt wissen? Sie können doch nicht in meinen Kopf schauen! Wer sind Sie überhaupt?«
»Nicht nur Tibor Thibaut ist ein Magier«, sagte Zamorra. »Teri Rheken besitzt telepathische Fähigkeiten!«
»Und damit - damit hat sie in meinem Kopf herumspioniert?«
Teri und Zamorra nickten gleichzeitig.
Vaultier kochte
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