0433 - Herrin der Ghouls
begann, sie auszuführen…
***
Zamorra war Kommissar Fountains Anweisung gefolgt und in Roanne zum Krankenhaus gefahren, um sich verarzten zu lassen. Vor dem Eingang der Ambulanz verabschiedete er sich von deNoe, der ihm bis hierher hinterdrein gefahren war.
»Warum übernachtest du nicht im Château?« erkundigte der Professor sich. »Da hast du es erstens umsonst und zweitens weitaus luxuriöser als bei Mostache. Okay, seine Zimmer sind sehr gut; immerhin habe ich selbst schon dort übernachtet, aber für den verwöhnten Geschmack…«
»Wer sagt, daß ich den habe?« lachte Rogier. »Also gut, ich hole mein Gepäck, lasse die Rechnung auf deinen Deckel schreiben, und wir treffen uns im Château und schmieden Pläne für unser weiteres Vorgehen, ja?«
»An welchem du nur passiv teilnehmen wirst«, sagte Zamorra und deutete auf seinen verletzten Arm. »Nicht, daß es dir auch so ergeht… Nicole und ich haben nun mal die besseren Möglichkeiten und die entsprechende Erfahrung mit diesen und ähnlichen Bestien, wo auch immer dieser Langzahnige herkommen mag.«
DeNoe stieg wieder in seinen Mazda und fuhr los. Zamorra sah ihm nach.
Wir sind belauscht worden, teilte ihm das Amulett mit.
Unwillkürlich zuckte er zusammen. Obgleich ihm seit einiger Zeit klar war, daß die lautlose Stimme, die nur in seinem Kopf hörbar wurde, dem Amulett entstammen mußte, erschrak er doch jedesmal wieder, wenn er sie vernahm. Immerhin geschah es nicht alle Tage. Und er hatte bis jetzt noch nicht herausgefunden, was es mit dieser Amulett-Stimme auf sich hatte. Es war, als würde in Merlins Stern eine Art von künstlichem Bewußtsein heranreifen, ein Dialogpartner, wie er bislang unvorstellbar gewesen war. Entwickelte das Amulett, das der Zauberer Merlin vor rund neunhundert Jahren aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte, tatsächlich eine eigene Intelligenz, ein eigenes Bewußtsein?
Es fiel Zamorra trotz all seiner Fantasie und Vorstellungskraft schwer, das zu akzeptieren. Obgleich er schon unzählige Lebensformen kennengelernt hatte, gehörte Intelligenz und Sprachvermögen zu einem Wesen aus Fleisch und Blut, allenfalls noch zu einem Geist, nicht aber zu einem Stück toter Materie, das einmal ein Stern gewesen und von Merlin vom Himmel geholt worden war.
Wenn dies der Anfang einer Entwicklung war — wohin würde sie führen? Was war das Ziel?
Er wußte es nicht, und er war auch nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte.
Seine Schrecksekunde war aber nur kurz. »Vom wem?« stieß er leise hervor. »Und wo?«
Das Amulett schwieg. Aber Zamorra spürte in sich das Verlangen, sich umzuwenden und die Zufahrt zur Ambulanz zu verlassen. Er bewegte sich zwischen die aus Blumen und Buschwerk bestehende Bepflanzung und folgte völlig der Eingebung, die aus dem Amulett kommen mußte.
Er blieb stehen.
Verblüfft sah er das Amulett an, das leicht in seinen Händen vibrierte und damit die Nähe von Schwarzer Magie anzeigte - aber hier war kein Magier zu sehen. Nichts und niemand. Auch die unheimliche Kreatur nicht, die über Teleporter-Fähigkeiten verfügen mußte.
Das stimmte nicht!
Er sah sie!
Aber er sah sie nicht in der Wirklichkeit, sondern als winziges Bild im Drudenfuß des Amuletts, der von einem Moment zum anderen wieder zum Mini-Bildschirm geworden war. Das, was Zamorra sonst mit einem intensiven, konzentrierten Gedankenbefehl aktivieren oder über die verschiebbaren Hieroglyphen ansteuern mußte, war jetzt von selbst in Tätigkeit getreten!
Es zeigte ihm ein Vergangenheitsbild!
Er erkannte es daran, daß ihm in schwacher Form psychische Kraft entzogen wurde. Das Amulett bediente sich an seinem Besitzer wie ein Symbiont, der gleichzeitig seinem Träger, seinem »Wirt«, gibt und von ihm fordert. Es war dasselbe Gefühl, das er empfand, wenn er selbst die Zeitschau steuerte. Nur wurde sie ihm diesmal aufgedrängt!
Der schwachen Intensität nach konnte das, was er sah, nur ein paar Minuten zurückliegen. Augenblicke später fand er die Bestätigung dafür, als er das Tempo des Zeitraffereffektes beobachtete, mit dem das Amulett das Bild diesmal der Gegenwart entgegensteuerte.
Wieder war der Braune mit den langen Zähnen spurlos im Nichts verschwunden…
Und er hatte sie beide belauscht!
Plötzlich flog Zamorra die Ahnung an, daß es bei diesem Belauschen weniger um ihn selbst gegangen war, sondern um deNoe! Der Unheimliche, der mit seiner Teleporter-Fähigkeit überall erscheinen und wieder
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