0450 - Sukos Totenfeier
Freundes weiteten sich vor Erstaunen. »Nicht tot?« hauchte er.
»Nein.«
»Aber man hat mir gesagt, dass der zweite Anruf…«
Ich winkte ab. »Die andere Seite, wer immer sich dahinter verbergen mag, hat einen Nervenkrieg angezettelt. Shao lebt noch. Ich will dir trotzdem reinen Wein einschenken. Sie sind dabei, alles für ihr Ende zu richten. Eine Art Mord- oder Totenritual.«
Suko starrte mich bitter an. »Das haben sie mir auch gesagt, glaube ich.«
»Da sie Shao eine Galgenfrist gegeben haben, müssen sie sich ihrer Sache sehr sicher sein. Manche sind sich dabei zu sicher. Wir sollten etwas unternehmen.«
Suko schrie mich fast an. In seinen Augen sah ich das Glänzen. Es war für ihn schwer, das Tränenwasser zurückzuhalten. »Was denn, John? Was sollen wir unternehmen?«
»Las uns nachdenken.«
»Das dauert zu lange.«
Ich ging nicht auf Sukos Bemerkung ein, sondern fragte: »Ist dir bei dem Gespräch nichts aufgefallen?«
»Was sollte denn?«
»Du hast dich mit diesem Unbekannten unterhalten, aber während der Unterhaltung ist die Hintergrund-Untermalung geblieben. Und die war sehr ungewöhnlich.«
»Was meinst du damit?«
»Dieses Trommeln. Die ungewöhnliche Musik, das permanente Hämmern. Hast du das gehört?«
»Natürlich. Ich… ich achtete nicht weiter darauf, John.«
»Ist verständlich. Dennoch sollten wir gerade dieses Geräusch nicht außer acht lassen.«
»Getrommelt werden kann überall.«
»Stimmt. Ich wäre auch nicht weiter stutzig geworden, wenn das Geräusch bei mir nicht eine gewisse Assoziation ausgelöst hätte.«
»Und welche?«
»Darüber muss ich nachdenken.« Ich machte Suko nichts vor, aber über Trommeln hatte ich in letzter Zeit etwas gehört, vielleicht auch gelesen.
Ich wusste nur nicht, was.
Suko schaute mich erwartungsvoll an. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Die Zeitung!« Ich schnippte mit den Fingern. »Suko, hast du noch die Zeitung von heute und gestern.«
»Die müsste da sein.«
»Hol sie.«
Mein Freund schnellte hoch. Unter der Platte des kleinen Beistelltisches, auf dem die Glotze stand, lagen einige Zeitungen übereinander gestapelt. Es waren auch Illustrierte darunter, die Suko kurzerhand auf den Boden schleuderte.
Dann hatte er gefunden, was er suchte. Ich nahm ihm die Blätter ab und schaute sie durch.
Zuerst die neueste. Dort fand ich nichts, was meine Assoziation bestätigt hätte. Danach nahm ich mir die um einen Tag ältere Gazette vor und beschäftigte mich mit dem Londoner Innenteil. Den ganzen Kram um die Hochzeit des Jahres zwischen Andrew und Sarah ließ ich außer acht, wichtig waren andere Artikel.
Ich wurde fündig. »Hier ist es, Suko.«
»Wo?« Mein Partner schnellte aus dem Sessel und kniete sich neben mich, damit er mitlesen konnte.
Mein Zeigefinger glitt über die Seite der unteren Hälfte entgegen. Dort hatte ich den Artikel, über die gesamte Breite des Blattes geschrieben, gefunden.
Suko las mit zitternder Stimme die Überschrift halblaut vor: »Auftritt der Dämonentrommler.« Danach die Unterzeile: »Aus Japan an die Themse.« Er schaute mich an. »Meinst du das?«
»Ja.« Ich deutete auf das Bild. »Schau ihn dir an. Da ist einer der Trommler abgebildet.«
Auf einem Holzunterbau stand eine gewaltige Trommel, die größer war als ein ausgewachsener Mensch. Der mit nacktem Oberkörper davorstehende Mann mit einem Stirnband im Haar, hielt zwei ebenfalls gewaltige Trommelstöcke fest und hämmerte damit auf die Bespannung.
Der anschließende Artikel befasste sich mit diesem Phänomen. Die Trommler waren gekommen, um die Geister einer anderen Welt anzurufen. Sieben aus der japanischen Stadt Nagasaki wollten die Londoner das Fürchten lehren und das Geisterreich transparent machen.
Suko strich durch sein Haar. »Verdammt, John, jetzt weiß ich erst, was du gemeint hast.«
»Ja, das Trommeln im Hintergrund.«
Mein Freund schluckte. »Ist das die Spur?«
»Ich weiß es nicht.«
Der Inspektor schaute auf seine Uhr. »Wann treten sie auf, und wo finden wir sie?«
»Das steht auch hier. In einer Markthalle. In einem alten Theater in Soho. Die Leute haben es gemietet.«
Sukos Blick wurde starr. Er bewegte die Finger und ballte die Hände schließlich zu Fäusten. »Sollen wir sofort hin?«
»Ich wäre dafür!«
»Und ich auch«, erklärte Suko mit einer Stimme, vor der man sich fürchten konnte…
***
Shao wurde durch das nächtliche London gefahren. Da Vorhänge die Scheiben verdeckten, konnte
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