0456 - Gedungen und zum Mord bestellt
Augenblick habe ich noch geglaubt, daß Palmese als Mörder in Betracht kam. Aber jetzt weiß ich, daß er es nicht ist. Shirley ist von jemandem geschickt worden, Phil, uns diese neue Story aufzutischen.«
»Geschickt — von wem?«
»Von diesem Unbekannten. Er hat von unserem Besuch bei Shirley erfahren. Vielleicht hat er uns auch selbst ins Hotel San Carlos verschwinden sehen. Vergiß nicht, daß dir die Akte gestohlen wurde, weil jemand sich die Aussagen der Zeugen noch einmal ansehen wollte. Dieser Unbekannte hat die Akte studiert und ist dabei auf Shirley Masons Aussage gestoßen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er kurz nach uns im San Carlos war. Das Girl hat über unseren Besuch geplaudert und ihm wiederholt, was sie uns gesagt hat. Der Bursche, der vielleicht mit der Absicht gekommen war, Lady Mason mundtot zu machen, überlegte es sich anders und schickte sie zu uns, um eine wichtige Aussage machen zu lassen, die Palmese belastete. Eleganter kann er sich nicht aus der Affäre ziehen, um endlich Ruhe zu bekommen.«
»Was hast du also vor?«
»Wir werden Miß Mason überwachen lassen. Sie wird versuchen, mit diesem Unbekannten Kontakt aufzunehmen, um ihm mitzuteilen, daß wir auf den Trick hereingefallen sind.«
»Warum greifst du noch nicht zum Telefon und bittest einen Kollegen, die Verfolgung der Mason zu übernehmen? Wenn du noch lange wartest, ist sie spurlos verschwunden«, sagte mein Freund vorwurfsvoll.
»Das Risiko müssen wir in Kauf nehmen, Phil. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß sich der Unbekannte in der Nähe aufhält und gleich merken würde, daß wir Lunte gerochen haben. Wenn wir zum Ziel kommen wollen, müssen wir ihn in Sicherheit wiegen.«
Ich griff zum Telefon und rief die Kollegen an, die die Überwachung machten, nannte ihnen Shirley Masons Adresse und schilderte das wasserstoffblonde Girl.
Zwei Stunde später rief Fred Huster an, der zur Überwachung von Shirley Mason abgestellt war. Er teilte uns mit, daß die Tänzerin noch nicht ins Hotel zurückgekehrt war.
***
Als ich am nächsten Morgen in meiner Wohnung aufwachte, war es noch dunkel. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war halb sechs. Ich räkelte mich trotzdem aus dem Bett, trabte ins Badezimmer und stellte mich unter die Dusche.
Der Plan für den Tag war genau festgelegt.
Mit großem Aufgebot wollten wir zum Friedhof gehen, um die Trauergäste unter die Lupe zu nehmen. Die Vermutung lag nahe, daß der dreifache Mörder unter ihnen war. Aber die Beerdigung war erst für 11.30 Uhr angesetzt. Was sollte ich so früh schon im Distriktgebäude?
Eine halbe Stunde später saß ich bereits in meinem Jaguar und brauste in Richtung Süd. Dicker Nebel wälzte sich über New York. Wie ich das Wetter in diesem Rattennest kannte, würde es vor nachmittags drei, vier Uhr keine Änderung geben. Dann brauchten wir zum Calvary Cemetcry mindestens eineinhalb Stunden.
An einem Zeitungskiosk stoppte ich und ließ mir die gewohnte Morgenlektüre durchs Fenster reichen. Ich wollte mich orientieren, was die Blätter von der Angelegenheit erfahren hatten.
Im FBI-Gebäude traf ich die Kollegen vom Nachtdienst noch in der Kantine an. Auch der junge Kollege, der Shirley Mason überwachen sollte, hockte müde auf einem Stuhl, war steifgefroren und fluchte vor sich hin. Er hatte nicht ein Bein von der Tänzerin zu sehen bekommen, obgleich er zwischen ihrer Wohnung und der Palm-Bar, die Shirley uns angegeben hatte, gekreist war. Ich tröstete ihn mit einem Schlag auf die Schulter.
»Wir werden das Girl heute 'morgen auf dem Calvary Cemetcry Wiedersehen«, sagte ich, »du kannst dich anschließend an ihre süßen Fesseln hängen.«
»Vorausgesetzt, das Girl taucht wirklich bei der Beerdigung auf«, unkte er.
Ich schlürfte den heißen Kaffee und aß Toast mit Jam, Schinken und Ei. Dabei hatte ich das Gefühl, für den ganzen Tag auf Vorrat essen zu müssen. Nach einer halben Stunde aber kapitulierte ich, schob die Reste zurück und blätterte in den Zeitungen. Die Mitteilungen unserer Pressestelle an die Journalisten waren recht dürftig gewesen. Sie hatte verschwiegen, daß uns der Mörder bereits zweimal angerufen und uns den Killer der Landini in die Hände gespielt hattet Deshalb hielten sich die Blätter an Mutmaßungen und brachten Auszüge aus der Grichtsverhandlung, die vor fünfzehn Jahren stattgefunden hatte.
Ich las jede Zeile, in der Hoffnung, irgendwelche Anhaltspunkte zu finden, die uns no.ch nicht bekannt
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