0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits
haben wir ja nur gewankt und sind nicht zusammengebrochen.«
Mein Lächeln fiel karg aus. »Wissen Sie eigentlich, Sir James, dass ich nicht mehr anders kann? Auch wenn ich es wollte, ich könnte nicht aussteigen. Die Dämonen und höllischen Kreaturen hätte ich immer am Hals, ob ich nun für den Yard arbeite oder nicht.«
»Stimmt.« Er nahm noch einen Schluck Wasser. »Kann ich etwas für Sie und die anderen tun?«
»Ja, Sir.« Ich redete erst weiter, als der Blick meines Chefs gespannt auf mich gerichtet war. »Sie können mir die Daumen drücken.«
»Das sowieso.«
»Dann werde ich jetzt gehen.«
»Warten Sie einen Moment, John. Sie haben Shimada erwähnt. Mischt er auch mit?«
»Das kann ich nicht sagen, hoffe aber, es in der heutigen Nacht herausfinden zu können.«
»Sicher, Sie tun Ihr Bestes.« Sir James hob die Schultern. »Eigentlich gäbe es noch viel zu sagen, John, aber ich weiß nicht, wie ich den Schrecken in Worte fassen soll. Ich kann Ihre Trauer um Suko verstehen, und gleichzeitig begreife ich Ihre Hoffnung, als der Dompteur mit seiner Stimme sprach. Wir sind da in etwas hineingeraten, das uns schon seit einigen Wochen wie eine Klammer festhält. Befreien Sie uns davon.«
»Ich werde es versuchen«, erwiderte ich mit einer Stimme, die im Hals kratzte.
Dann ging ich. Zum Glück hatte sich Sukos Tod noch nicht herumgesprochen, so wurde ich von den Kollegen wenigstens nicht daraufhin angesprochen. Es war beim Yard bekannt, dass der Chinese und ich ein Team bildeten.
In Gedanken versunken, stieß ich die Bürotür auf, sah Glenda nicht im Vorzimmer, hörte sie aber sprechen. Ihre Stimme drang aus meinem Büro, sie redete mit jemandem, den ich auch sehr gut kannte. Staunend blieb ich auf der Schwelle stehen, als ich die Person auf Sukos Stuhl sitzen sah.
»Sheila!« Ich war perplex. »Was machst du denn hier?«
Die Frauen blickten mich an. Sie hatten beide verweinte Augen, und ihre Lippen zuckten. Sheila Conolly hob die Schultern. »Ist es… ist es wahr, John?«
»Ja.«
Glenda stand auf. »Ich habe es ihr erzählt, das musste ich einfach, denn Sheila… na ja, am besten wird es sein, wenn sie es dir selbst erzählt. Ich hole Kaffee für uns.«
Glenda eilte so schnell aus ihrem Büro, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.
Ich setzte mich Sheila gegenüber. Sie sah schlecht aus, übernächtigt, unter den Augen lagen Ringe, und die Haut war bleich. So wirkt ein Mensch, der wenig geschlafen hat.
»Du hast eine schlimme Nacht hinter dir, oder?«
»Ja.«
»Und Bill?«
Sheila gab eine leise Antwort. »Ich bin froh, dass du mich darauf ansprichst. Er weiß nicht, dass ich hier bin. Ich bin nach dem Frühstück einfach aus dem Haus gelaufen. Das heißt, ich habe nichts gegessen, ich kann es auch nicht, und habe Bill erklärt, dass ich in die Stadt zum Einkaufen wollte.«
»Du hast bestimmt einen Grund für dein Verhalten gehabt.«
»Den hatte ich auch, John. Ich hatte in der Nacht Besuch von einem unserer Freunde. Myxin war da.«
»Was?«
Sheila redete jetzt schneller. »Ja, er kam in unser Haus, um mich zu besuchen. Er hat nur mit mir geredet. Bill weiß von nichts, er hat geschlafen.«
»Was wollte er von dir?«
»Er trat gewissermaßen als Bote für einen anderen auf. Ich soll in der nächsten Nacht zu idem Friedhof gehen, auf dem Suko seine Totenfeier durchgeführt hat.«
Gut, dass Glenda mit dem Kaffee kam, sonst hätte ich auf den Schreibtisch geschlagen. Sie aber stellte das Tablett ab, und ich beherrschte mich im letzten Augenblick.
»Du sollst auf den Friedhof?« Ich breitete die Arme aus. »Aber weshalb gerade du?«
»Ich habe keine Ahnung, John.« Sheila zog ein verzweifeltes Gesicht.
»Ich weiß auch nicht, in wessen Auftrag Myxin gesprochen hat. Ich sollte nur ohne Bill dort erscheinen und ihm auch nichts von meinem Plan sagen.«
»Tja«, murmelte ich. »Das ist tatsächlich ein nicht eben gelinder Schock. Damit habe ich nicht gerechnet.«
Ich sah zu, wie Glenda mir die Kaffeetasse herüber schob, griff zu den Zigaretten und zündete mir ein Stäbchen an. Nachdenklich blickte ich dem Rauch nach. Glenda blieb wieder bei uns. Die beiden Frauen tranken.
Als Sheila ihre Tasse absetzte, fragte sie: »Ist es wirklich wahr, dass Suko nicht mehr lebt?«
»Ich habe selbst seinen Tod feststellen können. Sein Herz schlug nicht mehr.«
»Das wäre ja furchtbar…«
Sie wollte noch weiterreden und hatte schon ihr Taschentuch in die Hand genommen, aber ich winkte ab.
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