046 - Xendarro, der Vampir
der auf ihn herabsah wie auf einen Habenichts.
Seinetwegen hatte er sich in Unkosten gestürzt und Cipriano Valdenebro gebeten, ihm einen schicken Maßanzug zu schneidern, damit Enrique die Augen aus dem Kopf quollen.
Von José Paton hatte er die Stellung sogar in diesem alten Anzug bekommen. Enrique hätte ihn an Patons Stelle wie einen Bettler behandelt.
Enrique hatte eben kein Format, während der reiche Weinhändler wahre Größe bewies. Enrique hingegen war ein Neureicher, der mit Grundstücksspekulationen viel Geld gemacht hatte und das sichtlich nicht verkraftete.
Miguel Garcia hoffte, nie so zu werden wie sein Schwager, sonst hätte er sich jeden Morgen beim Rasieren ins Gesicht spucken müssen. Diese Einladung hatte er nur angenommen, weil er seine Schwester wiedersehen wollte.
Sie konnte einem leid tun bei diesem Ehemann, der sie wie einen Paradiesvogel in einem goldenen Käfig gefangenhielt. Wenn sie ihm nur einmal gesagt hätte, daß sie mit Enrique nicht mehr glücklich war, hätte er ihr geholfen, die goldenen Ketten zu sprengen, aber noch nie war ein Wort der Klage über ihre Lippen gekommen. Sie war eine echte Dulderin. Ein Engel, den ein Miesling wie Enrique nicht verdiente.
Eines Tages werde ich viel Geld haben, sagte sich Miguel Garcia, aber ich werde meine Herkunft nicht verleugnen, denn ihrer brauche ich mich nicht zu schämen. Er startete den Motor des Kleinwagens und fuhr los. Er erreichte die Autobahn Gerona-Barcelona, gab aber nicht Vollgas, weil das der alten Maschine nicht gutgetan hätte; schließlich brauchte er das Auto noch bis zum Ersten.
Danach konnte es getrost auseinanderfallen. Aber bis zum Ersten sollte der Kleine seinen Geist nach Möglichkeit nicht aufgeben, deshalb schonte ihn Garcia.
Er blieb zwanzig Kilometer auf der Autobahn, dann fuhr er auf einer schmalen Straße weiter und erreichte bei Sonnenuntergang sein Heimatdorf Granadell.
Zur Feier des Tages würde er heute abend eine Flasche Wein aufmachen, doch zuvor mußte er noch den Schneider wegen der letzten Anprobe aufsuchen.
Er war später dran, als er mit Cipriano Valdenebro vereinbart hatte, aber das Gespräch mit José Paton hatte natürlich Vorrang gehabt, denn es hatte die Entscheidung für sein weiteres Leben gebracht.
Cipriano würde wahrscheinlich meckern, aber Miguel Garcia hatte nicht die Absicht, ihm das krummzunehmen. Er war in einer so großartigen Stimmung, daß er heute niemandem etwas übelnehmen konnte.
Und ab dem Ersten würde jeder Tag für ihn so sein.
Vielleicht schaffte er es dann sogar, Enrique mit anderen Augen zu sehen und sich nicht mehr über ihn zu ärgern, weil der Schwager trotz seines Geldes im Grunde genommen ja doch nur ein armes Würstchen war.
Garcia hielt das kleine Auto an.
Er drückte einmal kurz auf die Hupe.
Dann stieg er aus und betrat das Haus des Grauens…
***
Ein Vampir – und Magos Schergen.
Ich fragte mich, ob sie voneinander wußten und ob sie in diesem Fall ein Bündnis eingehen würden. Aber mit diesem Gedanken konnte ich mich dann doch nicht anfreunden, denn die Interessen des Blutsaugers und der ghoulähnlichen Wesen waren doch zu verschieden.
Sie würden einander wahrscheinlich eher aus dem Weg gehen und trachten, sich gegenseitig nicht ins Gehege zu kommen.
Allmählich setzte die Dämmerung ein und schritt rasch fort. Die Zeit des Vampirs brach an, und auch die Schergen des Schwarzmagiers würden sich im Dunkel der Nacht wohler fühlen.
Sie brauchten die Sonne zwar nicht zu meiden, aber auch ihnen war der Schein des Mondes lieber. Ob sie noch in Granadell waren?
Ob sie schon bald aus ihren Verstecken kommen würden?
Und Cipriano Valdenebro? Er gehörte von nun an ebenfalls auf die schwarze Seite. Wann würde er auftauchen und morden?
Diese Fragen und noch viele mehr beschäftigten mich, und ich sagte zu Don Pedro und Pater Severin: »Wir dürfen nichts auf die lange Bank schieben. Es gibt eine Menge Arbeit.«
»Ich bin bereit«, erwiderte Pater Severin, leerte sein Glas und erhob sich. »Was tun wir zuerst, Tony? Was schlägst du vor?«
»Ich denke, wir sehen uns erst mal in Valdenebros Haus um.«
»Ich zeige euch den Weg«, sagte Don Pedro sofort und erhob sich gleichfalls.
Ich stand als letzter auf. Pater Pedro erwähnte, daß er Männer seines Vertrauens gebeten hatte, die Augen offenzuhalten und ihn zu alarmieren, wenn ihnen irgend etwas verdächtig vorkam.
Von Don Pedro würden wir es dann erfahren. Ich hoffte, daß sich in dieser
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