046 - Xendarro, der Vampir
bebenden Lippen führte.
Er machte den Eindruck, als wäre ihm furchtbar kalt, und ich sah eine Gänsehaut an seinem Hals. Es war eine begreifliche Reaktion auf das, was er im Haus des Schneiders erlebt hatte.
Ich sprach mit ihm und mit dem spanischen Priester und nahm Garcia das Versprechen ab, zu schweigen.
»Sie… Sie können sich darauf verlassen, daß ich kein Wort darüber verliere, Señor Ballard«, versicherte mir Miguel Garcia. »Mir würde diesen Wahnsinn ohnedies niemand glauben.«
Er bot mir eine Zigarette an. Ich lehnte mit der Bemerkung, ich wäre überzeugter Nichtraucher, dankend ab.
»Werden Sie sich um Cipriano Valdenebro kümmern?« wandte ich mich an Don Pedro.
»Selbstverständlich, Tony.«
Ich hob warnend den Finger. »Aber nur die zuverlässigsten Männer dürfen ihn einsargen.«
»Ich weiß, an wen ich mich wenden kann«, sagte Pater Pedro.
»Aber ich muß noch jemanden ins Vertrauen ziehen.«
»Wen?«
»Den Arzt, der den Totenschein ausstellt.«
»Das ist klar.«
»Was soll er als Todesursache angeben? Die Wahrheit kann er wohl kaum niederschreiben.«
»Ihm wird schon irgend etwas einfallen«, sagte ich. »Und bis zur Beerdigung darf der Sarg nicht mehr geöffnet werden.«
»Das versteht sich in diesem Fall von selbst.«
»Ich wollte es nur gesagt haben«, meinte ich.
Miguel Garcia warf die Zigarettenkippe auf den Boden und trat die Glut aus. »Ich glaube, ich fahre nach Hause.«
»Fühlst du dich dazu bereits in der Lage?« fragte ihn Pater Pedro besorgt. »Es wäre mir lieber, wenn du zu Fuß heimgehen würdest; es ist ja nicht weit. Den Wagen kannst du morgen holen. Oder möchtest du noch mit ins Pfarrhaus kommen?«
Garcia schüttelte den Kopf. »Ich möchte endlich wieder zur Ruhe kommen, und das gelingt mir nur, wenn ich allein bin.«
»Gott mit dir«, sagte Pater Pedro.
Garcia verabschiedete sich von uns und ging.
»Armer Kerl«, sagte der spanische Priester und blickte ihm nach.
»Er wird dieses entsetzliche Erlebnis nie vergessen.«
»Das nicht«, sagte ich, »aber es wird im Laufe der Zeit seinen furchtbaren Schrecken verlieren, es wird verflachen und verblassen, wird ihn nicht mehr ängstigen, wenn er daran denkt.«
»Und was passiert nun?« wollte Pater Severin wissen. Seine Augen verengten sich. »Ich würde diese grausamen Schergen liebend gern für immer zur Hölle schicken.«
»Ich weiß nicht, ob wir es uns wünschen sollen, ihnen zu begegnen«, sagte ich.
»Wie sollten wir sie sonst vernichten?«
»Du hast gesehen, wozu sie fähig sind.«
»Fürchtest du sie, Tony?«
»Nein, aber mir wäre lieber, wenn sie sich von unserer Welt zurückgezogen hätten.«
»In diesem Fall könnten sie jederzeit wiederkommen oder in einem anderen Land auftauchen«, sagte Pater Severin. »Wenn wir sie aber hier und heute vernichten, kann Mago sie nicht mehr einsetzen.«
»Das ist leider nur ein schwacher Trost.«
»Wieso?«
»Weil Mago seine Schergen aus einem riesigen Höllenheer rekrutiert. Das Reservoir ist unerschöpflich. Wie viele Schergen wir auch immer vernichten, Mago kann sie ersetzen.«
»Das ist ja wie bei den Satansfalken der Grausamen 5.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht ganz so. Die Blutvögel der Grausamen 5 werden mit Magie geschaffen, während Magos ghoulähnliche Wesen bereits vorhanden sind.«
Pater Pedro fuhr sich mit der Hand über die Glatze. »Wenn man euch zuhört, kriegt man es regelrecht mit der Angst zu tun. Großer Gott, Tony, was müssen Sie schon alles erlebt haben.«
Ich nickte langsam. »Eine ganze Menge, und das Teuflische an diesem Kampf ist, daß er nie endet. Er beginnt immer wieder von neuem, hört niemals auf, denn die schwarze Macht wird ihr Ziel, die Welt zu beherrschen, nicht aufgeben.« Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Wenn ich bloß wüßte, weshalb Magos Schergen nach Granadell kamen.«
»Cipriano Valdenebro nahm an, daß sie sich auf der Suche befanden«, sagte Don Pedro.
»Auf der Suche nach wem?« fragte Pater Severin.
»Uns ist bekannt, daß sie in Magos Auftrag weiße Hexen jagen«, sagte ich.
»Abtrünnige Hexen«, sagte Pater Severin, den Blick auf seinen spanischen Glaubensbruder gerichtet. »Lebt in Granadell so eine?«
»Marra, die Astrologin«, sagte Don Pedro sofort. »Es wird hin und wieder behauptet, sie wäre eine weiße Hexe.«
»Und was meinst du dazu?«
Pater Pedro hob die Schultern. »Ich kenne sie kaum. Sie lebt sehr zurückgezogen.«
»Ist sie schon lange in Granadell?«
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