0462 - Der Witwenmacher von New York
Zimmer, dessen Einrichtung in der Hauptsache aus ein paar alten Apfelsinenkisten, einem uralten Schreibtisch, einer schmutzigen Couch und einer Masse von vergilbten Künstlerplakaten bestand.
»Setzen Sie sich«, brummte Stanley und schob sich hinter den Schreibtisch. Sein ehemals weißes Hemd hob sich um nichts von der grauen Schreibtischunterlage ab. A&f den Manschetten fristeten ein paar Tintenflecke ihr trostloses Dasein.
Phil angelte sich eine alte Zeitung, legte sie über eine Kiste und nahm Platz. Das bedrohliche Ächzen des Holzes versuchte er mit einem befreienden Lächeln zu übergehen.
Seine Hand fuhr zur Brieftasche, und er brachte eine kleine Fotografie zum Vorschein.
»Kennen Sie diese Frau?« fragte Phil und hielt dem Künstlervermittler das Bild hin.
Stanley warf einen kurzen Blick darauf. »Wer kennt sie nicht? Sie war mal große Klasse.«
»War?« fragte Phil. »Was ist mit ihr? Was macht sie heute?«
Stanley zuckte die Schultern. »Vor etwa zehn Jahren waren die beiden noch große Nummern im Showgeschäft. ›Tiger und Lamm‹ nannte man ihre Show. Mit einem Male waren sie aber wie vom Erdboden verschluckt. Niemand weiß, wo sie gelandet sind.«
»Nur die Frau, oder auch der Tiger?«
»Beide. Sie waren unzertrennlich, obwohl ich nicht glaube, daß sie sich liebten. Wissen Sie, so eine Art Seelenverwandtschaft.«
»Verstehe«, knurrte Phil, der sich noch kein klares Bild machen konnte. »Haben Sie auch Plakate von den beiden?«
Stanley durchwühlte einen dicken Stoß vergilbter Papiere. Schließlich hielt er einen Bogen hoch.
»Das waren sie in ihrer Glanzzeit«, meinte er und reichte Phil das Plakat.
Es zeigte einen kahlköpfigen Mann und eine bildhübsche Frau, die ohne Zweifel heute auf den Namen Elena Arkwright hörte. Phil kam das Gesicht des glatzköpfigen Mannes irgendwie bekannt vor. Hatte er ihn nicht kürzlich erst gesehen? Sosehr er sich auch bemühte, ihm fiel.es nicht mehr ein.
»Ich nehme das Ding hier mit. Können Sie die bürgerlichen Namen der beiden feststellen?«
Der Dicke wiegte bedächtig den Kopf. »Schlecht. Es wird viel Zeit in Anspruch nehmen und eine ganze Menge kosten…«
»Es ist sehr wichtig«, sagte Phil. »Es geht um Mord. Es kann für Sie also keine Frage des Geldes sein, sondern der Pflicht als Staatsbürger. Entstehen Ihnen Unkosten, werden die natürlich ersetzt.«
Der Mann war zusammengezuckt, als Phil »Mord« erwähnt hatte. Eifrig nickte er. »Ja, natürlich, okay, G-man.«
»Die Nummer des FBI ist Ihnen ja bekannt. Rufen Sie mich sofort an, wenn Ihnen der Name einfallen sollte.«
»Sie können sich ganz auf mich verlassen«, dienerte Stanley mit schmierigem Lächeln. »Noch heute wissen Sie den Namen des Tigers.«
Ja, an diesem Tage erfuhren wir noch den Namen des Tigers. Aber Stanley konnte ihn uns nicht mehr mitteilen…
***
Lydia Rainbow vermochte mir nicht sehr viel zu helfen. Ihre Eindrücke von dem Tiger waren äußerst dürftig gewesen. Schließlich war sie ja niedergeschlagen wordeh und hatte später die Suppe essen müssen. In ihrer Angst hatte sie nur an den Tod gedacht, nicht aber an das Aussehen des Mannes.
Gedankenverloren verließ ich das Krankenhaus wieder. Ich schlenderte zum Parkplatz. Der Schlüssel des Jaguars rotierte um meinen Zeigefinger, mein Gehirn arbeitete im vierten Gang. Ich spürte, daß die Lösung des Verbrechens greifbar vor meinen Augen lag, und doch fand ich den Ansatzpunkt nicht.
»Stop, Sonny«, hörte ich plötzlich eine kalte Stimme hinter mir. Gleichzeitig spürte ich den Lauf einer Pistole in meinem Rücken.
Ich erkannte aus den Augenwinkeln zwei Männer, die das durchschnittliche Aussehen brutaler, rücksichtsloser Gorillas hatten.
Sie traten jetzt an meine Seite.
»Versuch keine Dummheiten, G-man. Wenn du Kummer machst, werden wir dich hier gleich an Ort und Stelle erschießen!«
Die Killer dirigierten mich zu einem Wagen, der ganz in der Nähe meines Jaguars stand. Es war ein 59er Oldsmobile, schwarz, mit einer Zulassungsnummer aus Chicago.
Sie wollten mich in den Wagen verfrachten. Meine Augen suchten den Parkplatz ab. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Niemand beobachtete, wie ich am hellichten Tag in New York gekidnappt werden sollte.
Ich kannte die Art der Spazierfahrten, wie sie die beiden mit mir vorhatten, und ich hatte keine Lust, ihnen behilflich zu sein.
Ohne Gegenwehr folgte ich ihnen bis zum Wagen Als der erste den Schlag aufriß, knallte ich dem anderen meinen
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