0478 - Der Horror-Kalender
längst nicht zum alten Eisen, auch wenn sie drei Männer überlebt hatte.
Wir hatten endlich auch die letzte Treppenhälfte hinter uns gelassen und gingen durch die verbreiterte und offenstehende Tür in Lady Sarahs Gruselkabinett.
Ja, da war wirklich alles vorhanden, was das Herz eines Horrorfans höher schlagen ließ. Durch die großen Dachfenster fiel genug Licht auf die mit Büchern vollgestopften Regale. Ich sah auch die Rücken zahlreicher Kassetten, die Lady Sarah sehr sorgfältig beschriftet hatte. Als neue Lichtquellen dienten drehbare Scheinwerfer, die an einer unter der Decke entlangführenden Leiste befestigt waren. Als Lady Sarah den Schalter umlegte, sandten sie ihre Strahlen zielgenau in die entsprechenden Richtungen und strahlten bestimmte Dinge an.
Auch den Computer. Er besaß einen Monitor und auch einen Drucker. Die Horror-Oma hatte tief in die Tasche gegriffen. Sie deutete auf ihre neueste Errungenschaft. »Willst du ihn mal ausprobieren?«
»Nein, nicht.«
»Vielleicht kann er dir bei deinem Problem helfen.«
»Zeig mir lieber den Kalender. Ich bin kein so großer Computer-Freak.«
»Dann bist du rückständig.«
»Mag sein.«
Lady Sarah führte mich in eine bestimmte Ecke des Zimmers, wo tatsächlich der Kalender mit Werken des Malers Javankala an der Wand hing. Ich schaute auf das Blatt des Monats Februar.
Das Bild zeigte den Schädel eines Werwolfs. Eigentlich war es kein klassischer Werwolf, mehr ein Monstrum zwischen Bär und Wolf, aber sehr haarig und mit roten, gefährlich blickenden Augen.
»Die Pupillen leuchten im Dunkeln«, erklärte Sarah Goldwyn.
Ich fragte sie direkt. »Und ihr beide habt nicht gespürt, daß etwas nicht in Ordnung sein könnte?« fragte ich.
»Nein, was sollte mit dem Kalender nicht stimmen?«
»Woher hast du ihn?«
»In einem Magazin fand ich eine entsprechende Anzeige. Ein Muß für jeden Horrorfan, so ähnlich lautete der Text. Da habe ich natürlich sofort zugegriffen. Gibt es einen größeren Gruselfan als mich?«
Ich lächelte. »Nein, wenigstens kenne ich keinen.«
»Siehst du.« Sarah Goldwyn schaute interessiert zu, wie ich mein Kreuz hervorholte und dabei das Kalenderbild fixierte. »He, John, was hast du vor?«
»Ich möchte etwas prüfen.«
»Das sehe ich schon. Aber was?«
»Ob mit dem Kalender auch alles in Ordnung ist. Es könnte sein, daß sich eine Gefahr dahinter verbirgt.«
»Na, dann mach mal.«
Er war nicht okay, das sahen wir beide sehr schnell, denn die Augen innerhalb des Monstergesichts begannen zu funkeln und sich gleichzeitig zu bewegen.
»Nein«, hörte ich Sarah Goldwyn flüstern. Einen Herzschlag später hielt sie die Luft an, als ich mein Kreuz genau in das widerliche Gesicht des Monstrums drückte.
Einen Schrei vernahmen wir nicht, aber es passierte das gleiche wie in der Wohnung. Eine pechschwarze Dampfwolke quoll mir entgegen, so daß ich mich gezwungen sah, zur Seite zu springen.
Ascheteilchen wirbelten in Richtung Tür.
Ich hatte Lady Sarah festgehalten, die den Kopf schüttelte und gleichzeitig die Schultern hob. »John, das ist… verflixt, das kann ich nicht fassen.«
»Ich auch nicht.« Bevor sie noch eine weitere Frage stellen konnte, ging ich auf den Kalender zu und schaute mir das Märzbild an. Es zeigte eine Medusa, auf deren Kopf sich Schlangen wellten.
Das Gesicht darunter wirkte böse und verschlagen.
Als ich das Kreuz auf das Blatt drückte, geschah nichts. Das Blatt blieb völlig normal.
Ich drehte mich zu Lady Sarah um. »Ich glaube, dem hätten wir die Magie genommen.«
»Ja, ja«, sprach sie leise. »Es war wirklich nur ein Bild, John?«
»Ich werde alle anderen noch durchprobieren.«
Nichts tat sich. Ich bekam zwar die schlimmsten Horrorgemälde präsentiert, aber keines davon reagierte auf mein Kreuz. »Und ich dachte schon«, flüsterte Lady Sarah, »wir würden jetzt etwas Ähnliches erleben wie bei dem Schreckensgemälde, das plötzlich lebendig geworden ist.«
»Nein, es geht nur um dieses Februarbild.«
»Und wieso?«
»Tja«, murmelte ich. »Wenn ich das wüßte, ginge es mir wesentlich besser.«
Wir haben Februar, stellte Lady Sarah fest.
»Sicher.«
»Tu mir einen Gefallen, Junge. Erzähl mal von Beginn an. Wie bist du auf diesen Maler gekommen?«
Ich tat ihr den Gefallen, und Lady Sarah horchte auf, als ich das Fantreffen erwähnte.
»Zu diesem Con wollte ich hin.«
»Wann?«
»Morgen.«
»Ich war, wie gesagt, schon heute da und habe auch den Maler Javankala
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