0478 - Der Horror-Kalender
genug, er bekam sie nur nicht rüber. Einige schwarzrote Striche hatte er bereits auf die Leinwand gepinselt, mehr war ihm noch nicht gelungen. Er suchte noch nach einem Einfall für das Gesicht. Es sollte besonders grauenvoll aussehen. Eine monsterhafte Fratze, die abstieß, aber den Käufern des Magazins gleichzeitig gefiel, sie regelrecht neugierig auf den Inhalt machte.
Rot und Schwarz.
Zwei wichtige Farben. Die eine für das Blut, die andere für das Nichts, in das Blut hineinsickern sollte.
Er schaute auf die Uhr!
Mit Schrecken stellte er fest, daß Myrthe bereits seit mehr als einer Stunde verschwunden war. Die Zeit war wirklich wie im Flug vergangen, und Javankala spürte eine bohrende Unruhe in sich aufsteigen. Sie verstärkte sich von Minute zu Minute, so daß es ihn auf seinem Stuhl nicht mehr hielt.
Er stand auf und begann damit, im Wagen hin und herzu laufen.
Ein sehr großer Mann hätte mit seinem Kopf die Decke berührt. Javankala aber brauchte sich nicht einmal zu bücken. Dafür war er breiter in den Schultern als die meisten Männer, und er wirkte auf seinen kurzen Beinen zudem stämmig.
Neben dem Fenster an der rechten Seite blieb er stehen. Er hatte das Rollo nicht vorgezogen und starrte durch die kleine viereckige Scheibe in die graue Schneewand.
Das Zeug war erst weggetaut. Jetzt aber blieb es liegen. Die nahen Bäume sahen aus wie gepudert.
Wenn der Schnee am nächsten Morgen zu hoch lag, kam kaum ein Auto durch. Wohl nur die mit Winterreifen. Und die besaß der Wagen.
Wieder verstrich Zeit.
Der Maler griff zur Flasche und schenkte sich Schnaps ein. Ein selbstgebrannter Beerenschnaps, den nur wenige vertrugen. Er kippte ihn in den Rachen.
Wo blieb Myrthe?
Javankala drehte das Glas in seinen Händen. Wenn ihr etwas geschehen war, wußte er nicht, wie es weitergehen sollte. Allein kam er nicht durch. Er würde das Unheil zwar nicht mehr stoppen können, aber die Zukunftspläne hatte immer nur sie geschmiedet. Er war nur ausführendes Organ und wie Wachs in ihren Händen.
Das Klopfen an der Tür schreckte ihn auf. Auf der Stelle drehte er sich und starrte dorthin, wo sich die Beifahrertür befand. Langsam ging er hin.
»Wer ist draußen?«
»Öffne!«
Javankala fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte es also doch geschafft. Er grinste. Wie hätte er auch daran zweifeln können. Myrthe schaffte einfach alles.
»Ich öffne.«
Sie schwebte herein, zusammen mit einer Schneewolke, und der Zeichner schloß die Tür sofort hinter sich zu. Als Myrthe sich umdrehte, wußte er, daß etwas schiefgegangen war. Er sah es ihrem Blick an, der so unstet und flackernd war.
Auch sie war mit Schnee bedeckt. Selbst auf den dünnen Flügeln klebten die Flocken, die in der Wärme schnell tauten.
»Ist er tot?«
Noch hoffte Javankala, doch dieses Gefühl sank schnell zusammen, als Myrthe den Kopf schüttelte.
»Nein, er lebt noch!«
Der Maler schluckte. »Du… du hast es nicht geschafft?« Er schüttelte den Kopf. »Das… das kann ich nicht fassen.«
»Es ist aber so!«
Javankala wartete auf eine Erklärung, und die gab Myrthe ihm auch. Sie beschönigte nichts, ließ nichts aus und gab zu, ein wenig zu lange mit ihrem Opfer gespielt zu haben. »Sonst wäre der zweite nicht mehr gekommen.«
»Und welch eine Waffe besaß er? Wirklich eine Peitsche?« Der Maler konnte es kaum fassen.
»Ja, so sah sie aus. Aber sie war etwas Besonderes. Sie besaß drei Riemen. Hätten die mich erwischt, wäre ich erledigt gewesen. Ich fühlte das Verhängnis. Als der Mann zuschlug, war ich schneller, so daß er mich nicht treffen konnte.«
Javankala mußte sich einfach setzen. Schwer fiel er auf den ledernen Schalensitz an der Beifahrerseite. »Hast du ihn nicht gekannt oder erkannt?«
»Nein, er war mir unbekannt.«
»Dann hat Sinclair Helfer.«
Die Harpyie nickte. »Allein kann er gegen uns nicht ankämpfen. Aber ich habe ihn geschwächt. Ich berichtete dir, daß ich mit ihm spielte. Ich schleuderte ihn hoch, er wurde zu meinem Spielball, und dann ließ ich ihn fallen. Noch jetzt höre ich seinen Schrei, den er ausstieß, als er in den Schnee klatschte.«
»Wann willst du es noch einmal versuchen?« fragte der Maler.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es schon zu spät. Er ahnt etwas, aber er weiß nichts.«
»Dann läuft alles ab wie geplant?«
»Wir müssen es durchziehen.«
»Und wenn er wieder erscheint?«
Der Maler erhob sich und blieb geduckt stehen.
Das alte Gesicht verzog sich zu einem
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