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0479 - Der Blutjäger

0479 - Der Blutjäger

Titel: 0479 - Der Blutjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Rhiannon? Wo steckst du? Schläfst du etwa schon?« Letzteres konnte er sich allerdings nicht vorstellen. Dafür reichte eigentlich die Zeit nicht. Gryf wußte zwar nicht hundertprozentig, wie lange sein geistiger blackout gedauert hatte, aber sein Zeitgefühl sagte ihm, daß weniger als eine Viertelstunde vergangen sein konnte, bis er wieder erwachte. Alles in allem nur also vielleicht eine halbe Stunde, seit sie ihn hinausgeworfen hatte…
    Die Wohnung zu durchforsten, dauerte nicht lange - Rhiannon war fort. Wollte sie nach dieser unerfreulichen Auseinandersetzung nicht allein sein und hatte deshalb die Wohnung verlassen, um ein Lokal in der Nachbarschaft aufzusuchen? Es paßte nicht so recht zu ihr. Außerdem hatte sie einen recht harten Arbeitstag unter heißen Scheinwerfern und den ständigen Kommandos und Hinweisen eines hektischen Fotografen hinter sich. Sie war zwar verärgert, aber auch müde, und in diesem Zustand machte man keinen Bummel durch die Kneipen-Szene mehr.
    Also doch eine Entführung? Eine, bei der nicht einmal körperliche Gewalt angewendet werden mußte, weil das Opfer vorher durch eine Droge gefügig gemacht worden war und willenlos den Kidnappern folgte? In diesem Fall mußte Gryf seine Überlegungen von vorhin mit umgekehrten Vorzeichen versehen - dann hatte ihn seine Parakraft vielleicht vor einer stärkeren Beeinflussung geschützt und kämpfte dagegen an, war deshalb geschwächt und sorgte für Desorientierung!
    Gryf brauchte nicht lange nach der Weinflasche zu suchen. Ein Rest befand sich noch darin, und mit der Flasche in der Hand verließ er die Wohnung wieder.
    Er war gespannt, ob sein Verdacht sich bewahrheitete!
    ***
    Rhiannon fühlte sich wie in einem Traum. Ihr Beruf brachte es mit sich, daß sie sich zuweilen in den verrücktesten Situationen wiederfand, und die Welt des Adels und des Geldadels war ihr durchaus vertraut. Aber diesmal war alles völlig anders. Ihre ursprünglichen Absichten hatte sie vergessen; sie war verwirrt und völlig im Bann dieses eindrucksvollen, blassen Mannes, der sich Sir Ronald nannte und der 4. Earl of Teltow war. Daß Rhiannon von diesem Geschlecht noch nie etwas gehört hatte, störte sie nicht. Sie hatte den Adelskalender nicht auswendig gelernt, und etwas in ihr raunte ihr zu, daß dieser Mann sie nicht belog.
    Es war kein Traum, es war Wirklichkeit. Der Rolls-Royce, der ihr gegenüber etwas linkische wirkende Chauffeur, der zwischendurch seinem Chef gegenüber allerdings auch mal vorlaut wurde, das kleine Restaurant, das sie vorgeschlagen hatte… Es kam ihr so vor, als würde sie Sir Ronald schon seit langem kennen. Wenn er sie anschaute, versank sie förmlich in der Tiefe seiner Augen, die die Erfahrung von Jahrhunderten widerzuspiegeln schienen. Seine Stimme war tief und angenehm, seine Manieren perfekt. Und als sie das Lokal verließen und Sir Ronald den Chauffeur Brian anwies, Rhiannon zu ihrer Wohnung zurückzubringen, schmerzte allein der Gedanke an den Abschied. »Ich muß Sie unbedingt Wiedersehen, Sir Ronald« flüsterte sie. »Ist es Ihnen möglich, daß wir uns wieder treffen?«
    Er lächelte fein.
    »So bald wie möglich«, sagte er.
    Als der Rolls-Royce dann vor dem Haus stoppte, fiel es Rhiannon schwer, sich von dem Earl zu trennen. Am liebsten hätte sie ihn mit in ihre Wohnung hinauf gebeten. Aber das erschien ihr nun doch als etwas unschicklich. Allerdings, wenn er auch nur für einen Moment seine Rolle als Kavalier abgelegt und eine entsprechende Bemerkung gemacht hätte -sie wäre schwach geworden.
    Sie trennten sich nur zögernd. Rhiannon glaubte in Sir Ronald eine gewisse Unruhe zu spüren, aber er verbarg sie so geschickt, daß es keinen Anlaß gab, darüber zu reden.
    Der Rolls-Royce fuhr erst an, als Rhiannon die Haustür hinter sich geschlossen hatte.
    ***
    Gryf hatte sich in ein Hotelzimmer zurückgezogen. Das Haus ein Hotel zu nennen, war schon eine Unverschämtheit; es war eine billige Absteige, kostete wenig, bot noch weniger. Etagentoilette, an ein Bad gar nicht zu denken, eine recht muffige Ausdünstung in Korridor und Zimmer, dünne Wände, die um so mehr Schall durchließen, als die Tapeten sich vorsichtig lösten, geschmacklose Poster anstelle von Bildern, klemmende Fenster und quietschende Stahlrohrbetten, die besser im Museum aufgehoben gewesen wären. Immerhin krabbelten Gryf keine Wanzen oder ähnliches Ungeziefer über den Weg. Worin das Frühstück befand, wollte er lieber erst gar nicht in Erfahrung

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