0486 - Die Voodoo-Hexe
Etienne zu fahren, ehe der frühmorgendliche Pendelverkehr einsetzte.
Aber er kam nicht einmal bis hinunter ins Dorf.
Er lenkte gerade die letzte Haarnadelkurve an, als ihn ein entsetzlicher Schmerz durchzuckte und ihm die Besinnung raubte.
***
Desiree formte wieder Wachspuppen! Zwei Stück hintereinander. Diesmal arbeitete sie schnell und verzichtete auf den Luxus, selbst unbedeutende Details auszuarbeiten. Wichtig war nur, was sich in den Puppen befand. Sie nahm die Haare aus den Briefumschlägen und knetete sie in die Wachsmasse mit hinein. Zamorras Haare in die eindeutig männliche, Nicoles Haare in die eindeutig weibliche Figur. Das Wachs war von der Kraft ihrer Zaubersprüche durchtränkt; die Voodoo-Magie konnte jetzt wirken.
Desiree hatte sich das gut überlegt.
Sowohl der Professor als auch seine Assistentin wußten ja, daß Desiree mit Voodoo mehr als vertraut war. Wenn sie also beide von den seltsamen Schmerzen durchrast wurden, würden sie rasch darauf kommen, daß nur sie, Desiree, die Urheberin sein konnte. Also würden sie herkommen, um den schmerzhaften Spuk zu beenden. Mit Sicherheit würde Zamorra sein Amulett mitbringen. Desiree konnte ihn dann mittels des Voodoo-Zaubers töten und das Amulett an sich nehmen, um sich damit gegen die Höllenmächte zur Wehr zu setzen.
Sie erhitzte die Nadel über der Kerzenflamme und stieß sie zunächst in die weibliche, dann in die männliche Figur.
Ein paar Minuten wartete sie, dann wiederholte sie das grausame Spiel. Danach wollte sie etwas größere Abstände lassen; ihr war nicht daran gelegen, daß Zamorra auf der Straße die Kontrolle über sein Auto verlor und einen tödlichen Unfall erlitt, ehe er seine magische Waffe zu Desiree bringen konnte.
Aber spätestens nach dem zweiten Stich würden beide, Zamorra und seine Assistentin, wissen, welches Spiel hier ablief.
Sie mußten kommen.
Die Voodoo-Hexe lächelte. Sie war sicher, jetzt alle Trümpfe in der Hand zu halten, um ihre Gegner austricksen und wieder dorthin gelangen zu können, wohin sie gehörte.
Es wurde Zeit!
***
Zamorras blackout konnte nur drei oder vier Sekunden gedauert haben, denn als er wieder sehen konnte, befand er sich bereits unmittelbar vor der Kurve, die eben noch zwei Dutzend Meter entfernt gewesen war. Er reagierte mit der Schnelligkeit jahrzehntelanger Erfahrung, riß mit der linken Hand am Lenkradkranz und mit der rechten am Stockhebel der Handbremse. Der Cadillac driftete mit kreischenden Reifen durch die Kurve. Danach trat Zamorra die Fußbremse bis zum Anschlag durch und brachte den Wagen zum Stehen.
Vermutlich hatte ihn die niedrige Geschwindigkeit gerettet. Nur ein paar Stundenkilometer schneller, und er hätte die Kurve beim besten Willen nicht mehr gepackt.
Er atmete tief durch. Der rasende Schmerz ließ nach. Zamorra betrachtete seine rechte Hand und wunderte sich darüber, daß er auf Anhieb den ungewohnten Stockhebel erwischt hatte, der gezogen werden mußte, um die Handbremse zu arretieren.
Aber wer hatte ihn erwischt?
Im nächsten Moment packte es ihn erneut. Ihm war, als durchbohre ihn jemand mit einem glühenden Speer. Er krümmte sich zusammen, schlug mit der Brust gegen das Lenkrad und löste einen gellenden Hupton aus. Der Schmerz dauerte nur wenige Sekunden, aber wirkte lange nach. Zamorra keuchte; Schweiß trat ihm auf die Stirn. Als er an sich herunter sah, entdeckte er ein schwaches, grünes Flimmern, das jetzt verblaßte. Das Amulett hatte reagiert - zu spät, um den Angriff aus dem Nichts zu verhindern, aber noch rasch genug, seine Dauer abzukürzen, im Gegensatz zum ersten Mal, vor der Kurve, wo es Zamorra voll erwischt hatte.
Voodoo!
Jene negative, bösartige Spielart des Voodoo-Kults, die zum Schadzauber neigte! Die Wachspuppen, mit denen man seinen Feinden Schmerzen zufügen oder sie gar töten konnte!
Zamorra sandte dem Amulett einen intensiven Gedankenimpuls zu. Es ist mit weiteren Attacken zu rechnen, also halte das Schutzfeld gefälligst permanent aufrecht!
Sekundenlang geschah nichts. Dann baute sich das grüne Leuchten wieder auf. Verstanden, Ausführung, vernahm er die lapidare Antwort der Silberscheibe in seinem Bewußtsein.
Hoffentlich reichte das aus, ihn vor weiteren Attacken zu schützen!
Er nahm das Transfunk-Ge rät in Betrieb. »Charlemagne ruft Camelot!«
»Karl der Große« war der Kodename im Transfunk- Netz, den Carsten Möbius ihm seinerzeit zugeteilt hatte, als der Möbius-Konzern dieses Netz aufgebaut hatte,
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