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0492 - Die Wölfin von Rom

0492 - Die Wölfin von Rom

Titel: 0492 - Die Wölfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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meinem rechten Bein rieb. Savini fuhr geradeaus weiter. Er beschleunigte hart. Das Röhren des Auspuffs hallte an den Wänden wider.
    Ich aber machte mich auf den Weg.
    Der große Markt befand sich einige Häuserzeilen weiter. Aber der Stimmenwirrwarr flog über die Dächer bis zu mir hin. Ein schwingendes Brodeln, mal hell, mal dunkel, dann wieder von lauten Frauenstimmen übertönt. Man übte bereits für den »Ernstfall«.
    Da ich nicht wußte, auf welcher Seite die Witwe Marcella wohnte, entschied ich mich für die rechte. Außerdem würde eine weiß gestrichene Tür auffallen.
    Noch hatte es die Sonne nicht geschafft, aber erste Strahlen strichen über die meist flachen Dächer der Häuser.
    Die Helligkeit gab den Dachziegeln ihre natürliche Farbe zurück.
    Sie schimmerten in einem etwas schmutzigen Rot.
    Nadine trottete brav neben mir her. Ein Radfahrer überholte uns.
    Er schaute auf die Wölfin und nicht auf die Straße. Fast wäre er über einen Bordstein gerutscht.
    »Aufpassen, Meister!« rief ich.
    Er schleuderte mir ein Schimpfwort entgegen und radelte weiter.
    Ich hatte mal wieder Glück. Drei Häuser weiter leuchtete ein helleres Rechteck in der Wand – die Haustür.
    Sie war verschlossen. Ich entdeckte weder ein Namensschild noch eine Klingel. Dafür in der Türnische einen alten Klingelzug.
    Zweimal zog ich daran und hörte es im Haus bimmeln.
    Gleichzeitig eine Stimme, die mich zusammenfahren ließ. Sie war tief und grollend. Ich hatte den Eindruck, daß sich mir ein Gewitter näherte, und trat sicherheitshalber einen halben Schritt zurück.
    Meinen Koffer hielt ich wie schützend vor mir.
    Im nächsten Moment stand das »Gewitter« vor mir. Mir blieb einfach die Luft weg, und in meinem Gehirn formulierte sich nur ein einziger Gedanke.
    Welch ein Weib!
    Das Wort Weib war genau der richtige Ausdruck für die Witwe Marcella. Sie stand im Licht der Flurbeleuchtung und warf einen mächtigen Schatten, der an der Wand hochkroch. Dabei war sie nicht einmal dick, aber irgendwie gewaltig, stämmig und fast so groß wie ich. Eine typische italienische Mamma.
    Sie hatte das pechschwarze Haar der stolzen Römerin. Ob es gefärbt war, wußte ich nicht, jedenfalls war sie schon frisiert. Das breite Gesicht mit den Pausbacken zeigte eine helle Haut. Es hatte auch Ähnlichkeit mit dem Anblick eines Posaunenengels. In den dunklen Augen blitzte das Temperament, der Mund war breit, sie konnte eine Banane fast quer essen, und die angemalten Lippen glänzten wie eine frische Wunde. Für den Busen, der sich unter dem knallroten Morgenmantel abhob, hätte sie schon einen Waffenschein benötigt. Himmel, waren das Kanonen.
    Ich lächelte, sie ebenfalls.
    Aber ihr Lächeln wurde breiter und breiter. Es strahlte mir in einer Herzlichkeit entgegen, die sich auch in den Pupillen widerspiegelte. Ich wußte sofort, daß ich bei der Witwe Marcella willkommen war, und dachte auch darüber nach, wie alt sie war. Ich schätzte sie auf ein halbes Jahrhundert.
    Sie streckte mir ihre Arme entgegen. Ich ließ meinen Koffer langsam sinken. »John«, sagte sie, »so heißt du doch?«
    »Si, Signora.«
    »Ach, Junge. Laß das Signora weg!« Sie hob eine Hand und spreizte die Finger. »Ich bin Marcella, verstehst du? Für dich Marcella. Du bist ein lieber Gast.« Ihre Hand sank wieder nach unten, ein Finger blieb ausgestreckt, und der rot lackierte Nagel wies auf die neben mir hockende Nadine.
    »Du meinst Nadine?«
    »Welch ein Hund und welch ein Name für dieses Tierchen. Kommt rein, schnell, sonst denken andere noch, du würdest mir einen Wolf bringen.« Sie zwinkerte mir dabei mit dem linken Auge zu. Für mich war es ein Zeichen, daß sie genau Bescheid wußte, aber sie hatte nichts dagegen, daß ich Nadine mitbrachte. Das machte sie mir noch sympathischer. Um den Hausflur betreten zu können, mußte sich Marcella zurückziehen, sonst hätte sie mich noch zerquetscht.
    Nadine war die Frau ebenfalls sympathisch. Die Wölfin preßte ihren Körper gegen die Beine der Witwe und ließ sich streicheln wie sonst selten von einer fremden Person.
    Marcella hatte sich gebückt. Sie wühlte mit beiden Händen durch das Fell und sprach davon, welch ein braves Tier sie doch war.
    Ich hatte inzwischen Muße, mich ein wenig umzusehen. Wie gesagt, der Flur war nicht sehr breit, auch nicht lang. Von ihm zweigten drei Türen ab. Eine alte, blanke Holztreppe führte in die obere Etage. Das Haus war sehr sauber. An den Wänden sah ich zahlreiche Bilder.

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