0495 - Im Zuchthaus hört die Liebe auf
mich um 16 Uhr 30 über Sprechfunk im Jaguar bei den anderen und wartete reihum das Bereitsignal ab. Als es soweit war, warf ich einen Blick auf die Armbanduhr.
Unserer Berechnung nach hätte um diese Zeit der Kutter hiergewesen sein müssen, wenn alles nach Plan verlaufen war. Fraglich blieb nur, ob der Boß schon gemerkt hatte, daß wir statt seiner Leute ein munteres Funkspielchen mit ihm trieben.
Um genau 16 Uhr 40 drückte ich die Sendetaste und gab das Rufsignal durch. Sofort darauf schaltete ich auf Empfang, doch der Äther blieb tot. Noch einmal probierte ich es, drehte zurück und empfing plötzlich ein Stakkato von Morsezeichen. Diesmal war ich vorbereitet und schrieb sofort auf einem Zettel mit.
Vierzig Sekunden später brach die Sendung mitten im Wort ab. Der Apparat summte gleichmäßig weiter, also mußte es am Sender liegen. Ich rief noch zweimal den Unbekannten, aber kein Zeichen kam mehr durch. Erregt meldete ich mich vom Sprechfunkgerät aus bei Beekman.
»Habt ihr ihn geortet?«
»Nicht exakt«, gab er bekümmert zurück, »die drei Peilstrahlen liegen alle über Newark oder Elizabeth. Wir wollten gerade die Feineinstellung vornehmen, da schwieg der Sender.«
»Also doch bei New York«, sagte ich. »Ich komme sofort zurück.«
Es waren nicht viele Worte, die ich aufgefangen hatte. Offenbar der Anfang einer ausführlichen Anweisung, wohin sich die Gangster zu begeben hatten. Trotzdem war ich zufrieden, daß die Methode geklappt hatte. Warum wir plötzlich unterbrochen wurden, konnte ich nur ahnen.
***
Auf der Fahrt nach Atlantic City blieb mir eine Menge Zeit zum Nachdenken. Sandy Hook lief noch frei herum. Es war eigentlich nur logisch, daß er sich nach New York abgesetzt hatte. Der Chef der Gang saß ebenfalls dort. Außerdem war der Mord an Callicoon noch unaufgeklärt.
Ich hatte das Gefühl, wir sollten dringend nach New York zurückkehren. Wir hatten hier unten zwar den alten Gracie befreit und Lock Haven festgesetzt, aber damit war die Sache bestenfalls erst zur Hälfte erledigt.
In Beekmans Büro trafen wir uns wieder. Ich warf einen Blick auf die Generalstabskarte, wo die Peilstrahlen eingezeichnet waren. Sie verliefen über die Südspitze von Perth Amboy und schnitten sich genau zwischen den Stadtzentren von Elizabeth und Newark. Die beiden Ortschaften liegen am Rande New Yorks und sind groß genug, um sogleich an die berühmte Suche einer Stecknadel im Heuhaufen zu erinnern.
Wir hatten noch eine Hoffnung. Das war die Peilzentrale der Post New Yorks, von Joe sicherheitshalber verständigt. Sie hatten ebenfalls ein paar Wagen ausgeschickt, die noch nicht zurück waren. Wir notierten uns die Telefonnummer und machten uns auf den Weg nach New York.
Lock Haven wartete auf seinen endgültigen Haftbefehl und sollte in den nächsten Tagen mit einem bewachten Gefangenentransport nach New York gebracht werden.
»Kannst du dir vorstellen, warum die Verbrecher den alten Gracie freilassen wollten?« fragte Phil, als wir auf dem Highway nordwärts rollten.
»Es ist nicht gesagt, daß er lebend ,abgesetzt werden sollte«, gab ich zurück. »Vielleicht heißt das im Sprachgebrauch der Gangster nur, daß sie ihn auf dem Grund des Meeres ,absetzen‘ sollten.«
»Wir werden ihn fragen, ob er etwa schon gezahlt hat«, sagte Phil. »Dann wäre es verständlich.«
Als wir nach New York kamen, hatte die Rushhour schon begonnen. Eine endlos lange Autoschlange wälzte sich durch den Holland Tunnel in beiden Richtungen. Wir reihten uns geduldig ein und machten uns auf das berühmte Schlangestehen an den Ampeln gefaßt.
Es war kurz vor halb acht Uhr abends, als wir endlich die 69. Straße erreichten. Phil hatte das Sprechgerät eingeschaltet, um die Zentrale zu rufen. Da wurde plötzlich eine Nachricht durchgegeben, die uns elektrisierte. Ich schaltete das erste Mal an diesem Tag das Rotlicht ein und riß das Steuer herum.
***
Sandy Hook hatte sich ein Loch in die Plane über der Ladefläche gebohrt und lag bäuchlings auf einem der mit Chemikalien gefüllten Fässer. Der Truck mit dem blinden Passagier bremste kurz vor der Gebührenstelle des Garden Way Parkways plötzlich scharf ab.
Mißtrauisch äugte der Gangster auf die Straße und sah auf Anhieb den Streifenwagen, neben dem zwei Cops standen. Die aus Atlantic City kommenden Wagen wurden allesamt durchsucht. Sandy bekam es mit der Angst. Er kletterte auf die andere Längsseite der Ladefläche und sah auch dort zwei Cops, die gerade damit
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