05 - Der Kardinal im Kreml
00:04-Lima oder 12:04 Uhr Ortszeit.
«Guten Morgen, Colonel», antwortete der Pilot für seine Crew. «Läuft hinten alles gut?»
«Bislang ja. Wie sieht das Wetter im Patrouillengebiet aus?»
«Massive Wolkendecke in zwölf- bis fünfzehntausend», antwortete die Navigatorin und hielt ein Satellitenfoto hoch. «Winde aus drei-zwofünf, dreißig Knoten. Kurs von Shemya laut Navigationssystem korrekt», fügte sie hinzu. Normalerweise wurde die 767 nur von Pilot und Kopilot geflogen. Hier war das anders. Seit dem Abschuß der koreanischen Passagiermaschine durch die Sowjets achtete jedes Flugzeug überm Westpazifik peinlich genau auf die Navigation. Für Cobra Belle war das ganz besonders wichtig, denn die Sowjets hassen Spähflugzeuge. Man ging zwar niemals näher als fünfzig Meilen an sowjetisches Territorium heran und hielt sich auch dem sowjetischen Luftverteidigungsraum fern, doch die Russen hatten trotzdem zweimal Jäger aufsteigen lassen, um deutlich zu machen, daß ihnen Cobra Belle nicht gleichgültig war.
«Nun, wir sollen ja nicht sehr nahe ran», bemerkte der Colonel und schaute zwischen den beiden Piloten hindurch aus dem Fenster. Beide Turbofan-Triebwerke liefen normal. Die Navigatorin zog angesichts des Interesses des Colonels die Augenbrauen hoch und wurde mit einem Schulterklopfen besänftigt.
«Flugzeit zum Beobachtungsgebiet?»
«Drei Stunden und siebzehn Minuten, Sir.»
«Dann hab ich wohl noch Zeit für ein Schläfchen», meinte der Colonel auf dem Weg zur Tür. Er zog sie hinter sich zu und ging am Teleskop vorbei zur Hauptkabine. Warum waren die Besatzungen heutzutage so unglaublich jung?
Vorne tauschten der Pilot und der Kopilot Blicke. Der Opa traut uns wohl nichts zu. Sie machten es sich in ihren Sitzen bequem und suchten den Himmel nach den blinkenden Positionsleuchten anderer Maschinen ab, während der Autopilot das Flugzeug steuerte.
Morosow trug wie die anderen Wissenschaftler in der Steuerzentrale einen weißen Laborkittel mit angestecktem Ausweis. Er arbeitete sich immer noch ein und würde wahrscheinlich nur vorübergehend bei dem Team bleiben, das die Spiegel steuerte. Inzwischen hatte er erkannt, wie wichtig dieser Teil des Programms war. In Moskau hatte er die Funktionsweise von Lasern verstehen gelernt und im Labor eindrucksvolle Experimente durchgeführt, aber nicht wirklich verstanden, daß die Arbeit mit dem Austritt der Energie aus dem Instrument erst beginnt. «Test», sagte der Leitende Ingenieur in sein Mikrophon.
Man prüfte die Kalibrierung des Systems, indem man die Spiegel auf
einen fernen Stern ausrichtete.
«Gäbe ein tolles Teleskop ab, was?» meinte der Ingenieur mit einem
Blick auf den Monitor.
«Die Stabilität des Systems macht Ihnen Sorgen. Warum?»
«Wie Sie sich vorstellen können, muß es sehr akkurat arbeiten. Und
das System in seiner Gesamtheit wurde noch nie getestet. Sterne lassen
sich leicht erfassen, aber...» Er zuckte die Achseln. «Nun ja, das
Programm ist noch jung, mein Freund. So wie Sie.»
«Warum erfassen wir einen Satelliten nicht mit Radar?»
«Gute Frage.» Der ältere Mann lachte. «Habe ich mir auch schon
gestellt. Hat wohl etwas mit Rüstungskontrolle oder so zu tun. Für den
Augenblick, sagte man uns, genüge es, wenn wir die Zielkoordinaten
über Kabel bekommen. Unfug!» schloß er.
Morosow lehnte sich in seinen Sessel zurück und sah sich um. Am
anderen Ende des Raumes war das Laserteam am Werk; dahinter stand
flüsternd eine Gruppe uniformierter Offiziere. Dann schaute er auf die
Uhr - dreiundsechzig Minuten bis zum Testbeginn. Einer nach dem
anderen entfernten sich die Techniker in Richtung Toilette. Morosow
verspürte kein Bedürfnis und auch der Abteilungsleiter nicht, der sich
schließlich mit seinen Systemen zufrieden erklärte und alles in Bereitschaft gehen ließ.
37.000 Kilometer überm Indischen Ozean schwebte ein Satellit in einer geostationären Umlaufbahn. Sein Schmidt-Teleskop mit Cassegrainschem Reflektor war permanent auf die Sowjetunion gerichtet, und seine Aufgabe war die Frühwarnung vor einem Abschuß russischer Raketen auf die USA. Seine Daten gingen über die Bodenstation Alice Springs in Australien an verschiedene Einrichtungen in den Vereinigten Staaten. Im Augenblick waren die Sichtverhältnisse exzellent. Fast die gesamte sichtbare Hemisphäre lag im Dunkeln, und gegen den winterkalten Boden zeichnete sich auch die kleinste Wärmequelle deutlich umrissen ab.
Techniker, die von Sunnyvale in Kalifornien aus
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