0502 - Die Disco-Hexe Tessy
eine Welt, die Opfer wollte. Einen jungen Mann hatte sie bereits besorgt, es sollten aber mehr werden, viel mehr. Der Satan persönlich hatte ihr die drei Helfer geschickt, sie ausgesucht, und Tessy hatte ihnen den Namen Monster gegeben.
Mit würdevoll wirkenden Bewegungen kniete sich Tessy vor dem Sarg nieder. Sie beugte den Kopf. Aus der Tiefe schien etwas von der Finsternis hervorzusteigen, denn abermals fiel ein düsterer Schatten über ihr Gesicht, der nun den gesamten Kopf einnahm.
Selbst die Augen verschwammen in der düsteren Stimmung, und auch das Zucken der Lippen war kaum wahrzunehmen.
»Ich werde weitermachen!« sprach sie flüsternd in den Sarg hinein. »Ich mache weiter, was immer auch geschieht, und ich werde dir deine Opfer bringen. Satan. Nur dir allein…«
Sie schickte ein lautes Lachen hinterher, das wie ein Trompetenstoß in die Tiefe hineinschallte.
Eine Reaktion erfolgte nicht.
»Bist du da, Asmodis?«
Gespannt wartete Tessy auf eine Antwort. Aber ihre Stimme verhallte, ohne daß der Teufel auch nur ein Wort erwidert hätte.
Trotzdem wußte sie, daß er da war.
Eine Hand legte sie über die Öffnung. Mit der anderen griff sie in die Tasche und zog einen kleinen Gegenstand hervor, der auf Knopfdruck reagierte. Eine schmale Messerklinge schoß in die Höhe. Dunkle Flecken schienen eingetrocknetes Blut zu sein.
Es war auch Blut, und es stammte von Tessy!
Ihre linke Hand schwebte über der Öffnung. Mit der Rechten führte sie die Klinge nahe an ihren Handballen. Sie zitterte nicht, ihre Augen strahlten düster. Es war ihr anzusehen, daß sie sich auf gewisse Dinge freute.
Dann stach sie zu.
Ein kurzer Schnitt reichte aus, um eine Wunde in dem Ballen zu hinterlassen.
Sofort quoll das Blut in dicken Tropfen hervor, sammelte sich und rann dicht vor ihrem Gelenk nach unten.
Es tropfte in die Tiefe…
Vier, fünf Tropfen fielen in den Schacht. Sie verschmolzen mit der Dunkelheit. Tessy konnte ihren Weg kaum verfolgen, aber sie erkannte die Reaktion.
Irgendwo waren die Blutstropfen gelandet. Einen Aufprall oder ein Zischen vernahm sie nicht. Dafür aber erfolgte eine andere Reaktion. Wie auf der Bühne und auch sonst bei derartigen Vorführungen, geriet Bewegung in die Schwärze.
Dampf wölkte hoch. Die Hölle hatte ihren Rachen geöffnet und stieß den Atem in die Höhe.
Tessy Lamar genoß es. Sie hielt ihr Gesicht über den Dampf und atmete ihn ein. Angst verspürte sie keine, nur ein Gefühl der tiefen Zufriedenheit, denn sie wußte genau, daß der Satan sich ihrer angenommen hatte.
Der Teufel und die Menschen. Es war schon etwas Wunderbares, daß sie als Mensch mit dem Satan in Verbindung treten konnte. Ihr Blut war die Brücke.
»Bist du zufrieden?« rief sie in die Tiefe.
Wieder verhallte ihre Stimme. Eine akustische Antwort bekam sie nicht, dafür eine andere, denn der hochsteigende Qualm begann sich zu bewegen, er wurde zu Wirbeln, die regelrechte Kreise drehten und ein Bild formten.
Es wurde ein Gesicht.
Ein Männergesicht!
Sie hielt den Atem an. Dieses Bild störte sie. Tessy hatte den Mann noch nie zuvor gesehen, aber sie wußte trotzdem, was ihr der Teufel dort zeigen wollte.
Das war ihr Feind, das war John Sinclair, der Geisterjäger!
Tessy ballte die Hände. In ihren Augen lag ein Glanz wie aus Metall. Grausam und kalt. Sie spürte die Welle des Hasses in sich hochsteigen. Nicht ohne Grund war dieses Gesicht erschienen. Die Hölle hatte ihr eine Warnung zukommen lassen, über die sie niemals lächeln würde. Es hatte schon seinen Grund.
Für die Dauer einer Minute blieb das Gesicht erhalten. Dann verschwand es, als hätten Hände den Dampf durcheinandergewirbelt. Die Züge liefen ineinander über, sie verformten sich zu einem Brei, bevor sie wieder verschwanden.
Tessy atmete keuchend aus, dann erhob sie sich, schüttelte den Kopf und strich mit den Fingerspitzen durch ihr Gesicht, bevor sie damit begann, die letzten Blutstropfen an ihrem Handballen auszusaugen. Dann klappte sie den Sargdeckel zu.
»Ich kriege dich, Hundesohn!« flüsterte sie. »Ich kriege dich. Du machst mir nichts mehr kaputt!« Mit einem wilden Fluch auf den Lippen warf sie sich auf das Bett und starrte gegen die Decke.
Minutenlang blieb sie in dieser Haltung, bis sie plötzlich hochschreckte, weil sie draußen etwas vernommen hatte.
Es waren Schritte…
Sie bewegten sich schleichend um das Wohnmobil. Als wäre ein Fremder angekommen, der sich nicht traute, einzutreten. Tessy besaß ein
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