0505 - Der japanische Geist
da! Überrascht starrte ich ihn an.
***
Er bewegte sich nicht. Sein Körper war so massig, daß er rechts und links die Innenpfosten mit den runden Schultern berührte und aussah wie eingeklemmt.
Er trug jetzt eine für ihn normale Kleidung. Das war ein weit geschnittenes, kittelähnliches Oberteil, das herabhing bis zu den Hüften und dort das erste Drittel der Hose verdeckte, deren Beine wie aufgepumpt wirkten. Beide Kleidungsstücke waren in einem dunklen Grün gehalten, das einen Stich ins Schwarze besaß.
Auf dem Kopf wuchs kein einziges Haar. Wie glattrasiert war der Schädel, der mich irgendwie an eine Kugel erinnerte, die jemand auf die Schultern gesetzt hatte. Das Gesicht schien nur aus kleinen Speckrollen zu bestehen, die man aufeinander gesetzt hatte, so daß selbst die Augen verschwanden.
Haare sah ich überhaupt nicht an ihm. Nicht auf den nackten Unterarmen, nicht als Bart.
Igeno hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt. Jetzt nickte er mir zu. »Das ist Naginata«, sagte er. »Wenn ich will, wird er nicht nur Ihre Wohnung zertrümmern, sondern auch Sie, Mr. Sinclair. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß Sie sich aus unserem Fall heraushalten sollen. Sie taten es nicht. Die Folgen werden Sie tragen müssen. Wir können keine Rücksicht nehmen.«
»Aber er ist nicht der Geist – oder?«
»Nein!«
Mir war schon flau geworden. Auch bei einer Top-Kondition hätte ich im Nahkampf gegen ihn keine Chance gehabt. Mit Fäusten und Schlägen war da nichts zu machen. Auch nicht mit Judo oder Karate. Der Speck auf seinem Körper war einfach zu dick. Da kamen die Schläge nicht durch. Möglicherweise besaß er eine schwache Stelle. Die allerdings herauszufinden, würde zuviel Zeit kosten.
»Ich schaue dann zu, wenn er Sie fertigmacht, Sinclair!« sagte der Japaner. Er lächelte voller Vorfreude.
Ich ging zurück. Den konnte ich nur mit einer Waffe stoppen, aber die trug ich nicht bei mir.
Naginata kam. Trotz seiner Masse war er sehr schnell. Als er sich durch die Diele schob, nahm er keine Rücksicht auf Möbelstücke.
Die Garderobe stand ihm im Weg. Er riß sie zum Teil ab, die Haken allerdings blieben in der Wand.
Ich befand mich schon im Wohnraum.
Daß auch hier die Möbelstücke kein Hindernis für ihn sein würden, war mir klar. Für einen Moment blieb er stehen. Seine kleinen Augen bewegten sich. Er schaute sich um, schätzte ab, und plötzlich stand auch Igeno im Wohnraum.
Leider lag die Beretta nicht griffbereit. Ich hatte sie und die Halfter weggepackt, deshalb mußte ich mir etwas anderes einfallen lassen.
Direkt konnte ich den Ringer nicht angehen, da hätte ich auch gegen einen Sandsack schlagen können.
Auf Igenos Gesicht entdeckte ich das feiste Grinsen einer wilden Vorfreude. Er wollte alle Hindernisse aus dem Weg räumen – okay, da stellte ich mich gegen.
Mit dem plötzlichen Angriff hatte er nicht gerechnet. Als ich mich in Bewegung setzte, sah ich den Schrecken auf seinem Gesicht. Blitzschnell packte ich ihn und riß ihn so herum, daß er gewissermaßen als Deckung vor mir stand.
Eine Waffe besaß ich noch immer nicht. Aber ich nahm ihn so in den Griff, daß er sich nicht bewegen und ich, wenn ich wollte, ihn ausschalten konnte.
»Okay, Igeno, bisher war es ein gewisser Spaß. Jetzt wird es ernst. Sagen Sie Ihrem Fettkloß, daß er verschwinden soll. Er soll meine Wohnung verlassen, sich in den Fahrstuhl stellen und abdüsen. Haben Sie verstanden?«
Igeno keuchte unter meinem Griff. Damit er reden konnte, lockerte ich ihn etwas. Das Gesicht des Japaners hatte eine rote Farbe bekommen, während Naginata auf der Stelle stand und nichts tat. Er hatte sich nur etwas gedreht, glotzte uns an, während sich seine Hände zu Fäusten schlossen und sich auch wieder öffneten.
»Na los, Igeno!«
Der Japaner sagte etwas. Naginata hörte zu. Er hob seinen kahlen Kopf in die Höhe, nickte dann und stellte eine Gegenfrage. Beinahe hätte ich über den hohen Klang seiner Stimme gelacht, das war hier nicht der richtige Zeitpunkt.
Wieder sprach Igeno zu ihm.
Naginata nickte und drehte sich um. Er tat es mit einer schwerfälligen Bewegung, hob erst das rechte Bein an, stemmte sich ab, fand so Halt und konnte auch das linke Bein hochheben.
Ging er?
Ja, er bewegte sich auf die Diele zu. Kopf und Schultern gingen ineinander über, ein Nacken war nicht vorhanden. Ein Sumo-Ringer unterschied sich eben von einem normalen Menschen.
Noch hielt ich Igeno fest. Mit den Blicken aber folgte
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