0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
noch hell, obwohl sich schon ein dunklerer Schatten über den weiten Himmel geschoben hatte. Im Park strahlten Laternen, und ihr Schein vermischte sich mit dem Licht der Girlanden und Lampions.
Das alles nahm ich am Rande wahr. Viel interessanter war der in Höhe des Fensters schwebende, aber dennoch relativ weit entfernte runde Gegenstand.
Einer der vier Köpfe!
***
Er tat nichts. Er stand in der Luft, als wollte er mich ärgern. Wieder riß ich die Waffe hervor, beugte mich aus dem Fenster und zielte, doch der Schädel war schneller.
Er stieg hoch!
Ich hatte vor einiger Zeit in Brasilien mit dem Voodoo-Samba zu tun gehabt. Da hatte ich auch gegen fliegende Schädel kämpfen müssen. Es war eine andere Magie gewesen. Damals hatte ich die Schädel zerstören können. An diesem Tag war es mir nicht gelungen.
Eine weitere Scheibe zerklirrte. Eine Etage unter mir fiel das Glas aus dem Fenster. Im nächsten Augenblick erschien der Schädel mit seinen glasigen Augen und dem weit geöffneten Maul. Er jagte nicht weg, sondern hoch, auf das Fenster zu, aus dem ich schaute.
Ich schoß.
Zufall, Glück, Können?
Vielleicht beides.
Mein geweihtes Silbergeschoß erwischte den Schädel genau in der Mitte. Der Waffenklang wurde von der Musik übertönt, die durch den Park klang. Dort unten hatte niemand etwas bemerkt, auch nicht von den herabgefallenen Scherben.
Der Kopf aber stand noch für eine winzige Zeitspanne vor mir.
Dann sprühte er auseinander wie ein Feuerwerkskörper, der zu Silvester abbrannte.
Einer weniger!
Ich sah noch den zweiten. Er schwebte tiefer in der Luft. Eine relativ günstige Entfernung.
Als ich den Arm über die Brüstung streckte und auf ihn zielte, überkam mich das kalte Gefühl im Nacken. Diese Gänsehaut und das Wissen, daß es aus war, wenn ich mich bewegte.
»Was da Ihre Haut berührt, ist ein Schwert!« erklärte mir eine rauhe Männerstimme. »Und damit werde ich Ihnen den Kopf abschlagen, Mr. Sinclair…«
***
Auf dem bleichen Gesicht der schönen Madeline lag ein sattes, zufriedenes Lächeln.
Mochten die Zeiten auch vergehen, die Menschen waren innerlich so geblieben wie damals. Auch heute ließen sich die Männer von einer schönen Frau um den Finger wickeln. Darauf hatte Madeline Brent gehofft – und gewonnen.
Sie hatte jetzt einen Helfer. Wie damals, als der Henker für sie die Köpfe eingesammelt hatte und sie die Trophäen in einem magischen Ritual und mit Hilfe des Dämons Baal in sich vereinigte, bevor sie freiwillig aus dem Leben geschieden war.
Sie hatte Gift genommen, was keiner bemerkt hatte. Nicht einmal der Kurpfuscher, der sich Bader und Arzt schimpfte. Man hatte sie begraben, doch nicht mit ihrer Kraft gerechnet, die von den Köpfen ausgestrahlt war. Sie allein hatten Madeline am »Leben« erhalten, sie zu einem Zombie gemacht, denn der Götze Baal, ein finsterer Urzeit-Dämon, wußte, wie man Leben und Tod miteinander mischte.
Die Köpfe waren ihr Trumpf!
Der neue Henker würde genau das tun, was sie von ihm verlangte.
So konnte sie in aller Ruhe abwarten, durch das Schloß streifen und draußen erscheinen, wenn das Fest auf dem Höhepunkt angekommen war. Sie würde als Ehrengast kommen und dabei mit ihrem Helfer die blutige Rechnung präsentieren. Es mußte weitergehen, sie benötigte wieder einen neuen Antrieb.
Etwas störte die schöne Madeline!
Sie konnte nicht genau sagen, was es war. Jedenfalls war es nicht greifbar, es befand sich innerhalb des Hauses, es war nicht neutral wie die meisten Besucher, nein, dahinter steckte mehr.
Eine Gefahr!
Sie hatte dieses Wissen erst ignorieren wollen, doch das Gefühl ließ sich einfach nicht zurückdrängen. Es war ständig stärker geworden, und nun hörte sie darauf.
Wer konnte ihr denn gefährlich werden?
Von den offiziellen Gästen wohl keiner. Es mußte ein anderer gewesen sein, der sich Einlaß verschafft hatte. Aber auch einer, der genau Bescheid wußte.
Den wollte sie finden!
Auf der Treppe blieb Madeline Brent stehen und dachte über das Phänomen noch einmal nach. Wohin sollte sie sich wenden? Befand er sich über ihr oder unten im Haus?
Die Köpfe waren unterwegs. Sie gehörten eigentlich zu ihr. Wenn sie wollte, konnte sie auch eine entsprechende telepathische Verbindung zu ihnen aufnehmen.
Das tat sie!
Fremde, eigentlich schon tote Gedanken strömten auf sie ein. Sie selbst fragte ebenfalls auf diesem Wege, nur erhielt sie keine konkrete Antwort. Die Köpfe hatten von ihr einen
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